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Eden

Eden

Titel: Eden
Autoren: Stanislaw Lem
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einzelner Individuen. Ich nehme an, in der Art einer Monarchie oder einer Tyrannei. In den Jahren hundertzwölf und hundertelf — sie rechnen vom gegenwärtigen Augenblick an, jetzt ist das Jahr Null - hat es gewaltsame Palastrevolutionen gegeben. Vier Herrscher wechselten einander innerhalb von zwei Jahren ab und besiegelten ihre Herrschaft mit dem Tod. Offensichtlich nicht mit einem natürlichen Tod. Dann erschien ein neuer Herrscher, und es ist nicht bekannt, wer es war. Es war bekannt, dass er existierte, aber es war nicht bekannt, wer er war.«
    »Was denn, ein anonymer Herrscher?« fragte der Ingenieur verwundert. »Offenbar. Wir wollen uns bemühen, mehr zu erfahren.« Er wandte sich an das Mikrophon. »Jetzt ist bekannt, dass ein Individuum am Steuer der Gesellschaft ist, es ist aber nicht bekannt, wer es ist? Stimmt das?« fragte er. Der Kalkulator räusperte sich undeutlich, der Doppelt hustete zurück, schien zu zögern, hustete erneut mehreremal, und der Lautsprecher antwortete: »Nein. So nicht. Pause. Sechzig Umdrehungen des Planeten - bekannt, ein Doppelt zentrales Steuer. Pause. Dann bekannt, keiner. Pause. Niemand. Niemand zentrales Steuer. So bekannt. Niemand Steuer. Pause.«
    »Jetzt verstehe ich das auch nicht«, gestand der Physiker. Der Kybernetiker saß gebeugt vor dem Apparat. Er bückte sich, kaute an den Lippen. »Moment. Die allgemeine Information ist so, dass es keine zentrale Gewalt gibt? Ja?« sagte er ins Mikrophon. »Und die Wirklichkeit ist so, dass es eine zentrale Gewalt gibt. Ja?« Der Kalkulator verständigte sich mit dem Doppelt durch krächzende Laute. Sie warteten, den Kopf dem Lautsprecher zugewandt. »So ist die Wahrheit. Ja. Pause. Wer Information - ist zentrales Steuer, der - ist, ist nicht. Wer so Information - der ist, ist nicht. Der ist einst, dann ist nicht.« Sie sahen sich schweigend an. »Wer sagt, dass eine Obrigkeit existiert, hört selber auf zu sein. Hat er so gesagt?« Der Kybernetiker nickte. »Aber das ist doch unmöglich!« rief der Ingenieur. »Die Obrigkeit hat doch ihren Sitz, sie muss Verfügungen, muss Gesetze erlassen, ausführende Organe müssen vorhanden sein, die niedriger in der Hierarchie stehen, Militär - wir sind doch Bewaffneten begegnet.« Der Physiker legte ihm die Hand auf den Arm. Der Ingenieur verstummte. Der Doppelt hüstelte eine ganze Weile. Das grüne Auge des Kalkulators flatterte, surrte. In dem Apparat summte es. Der Lautsprecher meldete: »Information - doppelt. Pause. Eine Information wer - der ist. Pause. Zweite Information - wer - der einst ist, dann nicht ist. Pause.« »Gibt es Information, die blockiert wird?« fragte der Physiker ins Mikrophon. »Wer Fragen aus dem Bereich dieser Information stellt, dem droht der Tod, ist das so?«
    Wieder hörte man auf der anderen Seite des Apparats den krächzenden Lautsprecher und das Husten des Doppelts. »Nein, so nicht. Pause«, antwortete der Kalkulator mit monotoner Stimme. Er trennte die Worte rhythmisch voneinander. »Wer ein-mals ist, dann nicht ist - der nicht tot. Pause.« Sie atmeten auf.
    »Also keine Todesstrafe!« rief der Ingenieur. »Frag ihn, was mit solchen geschieht«, bat er den Kybernetiker. »Ich fürchte, das lässt sich nicht machen«, antwortete der, aber der Koordinator und der Ingenieur bestanden darauf. Er sagte: »Wie ihr wollt. Doch für das Resultat bin ich nicht verantwortlich.«
    »Wie ist die Zukunft dessen, der blockierte Information verbreitet?« fragte er ins Mikrophon. Der heisere Dialog des Kalkulators mit dem reglos ruhenden Doppelt dauerte ziemlich lange. Zum Schluß schnarrte der Lautsprecher: »Wer solche Information wird inkorporiert selbststeuernde Gruppe unbekannter Grad Wahrscheinlichkeit Degeneration Bereich Pause. Kumulativer Effekt fehlt Begriff Anpassung solche Notwendigkeit Kampf Verlangsamung der Kraft Potential fehlt Begriff. Pause. Geringe Zahl Planetenumdrehungen Tod Pause.« »Was hat er gesagt?« fragten gleichzeitig der Chemiker, der Koordinator und der Ingenieur. Der Kybernetiker zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Ich habe euch doch gesagt, dass sich das nicht machen läßt. Das Problem ist zu kompliziert. Wir müssen schrittweise vorgehen. Ich vermute, dass das Schicksal eines solchen Individuums nicht beneidenswert ist. Vorzeitiger Tod harrt seiner, der letzte Satz war völlig klar, aber wie der Mechanismus dieses Prozesses aussieht, weiß ich nicht. Irgendwelche selbststeuernden Gruppen. Natürlich kann man zu diesem
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