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Dunkler Dämon

Dunkler Dämon

Titel: Dunkler Dämon
Autoren: Jeff Lindsay
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Garantie, dass es sich bei REIKER um den Roten Reiter handelte oder überhaupt um ein menschliches Wesen. Es konnte genauso gut der Name eines Bootsausstatters sein. Aber es war auf jeden Fall mehr, als ich vorher gehabt hatte, und ich musste von dem Boot verschwinden, bevor der Sturm sich legte. Ich steckte das Papier in die Tasche, knöpfte meine Regenjacke zu und schlich mich vom Boot und zurück auf den Fußpfad.
    Vielleicht war meine entspannte Heiterkeit eine Nachwirkung meiner nächtlichen Verabredung mit MacGregor, aber als ich nach Hause fuhr, ertappte ich mich beim Summen einer eingängigen kleinen Philip-Glass-Melodie aus
1000 Airplanes On The Roof
. Die Schlüssel zu einem glücklichen Leben sind der Stolz auf die eigene Leistung und die Vorfreude auf neue Ziele, und in diesem Moment verfügte ich über beides. Wie wunderbar es war, ich zu sein.
    Meine gute Laune hielt nur bis zu dem Kreisverkehr, an dem die Old Cutler in die LeJeune übergeht, und dann ließ mir ein Routineblick in den Rückspiegel das Lied auf den Lippen gefrieren.
    Hinter mir, praktisch mit dem Kühler an meinem Rücksitz, fuhr ein brauner Ford Taurus. Er sah ganz genauso aus wie die Wagen, die die Polizei von Miami für ihre Zivilfahnder bereitstellt.
    Ich konnte daran beim besten Willen nichts Gutes finden. Ein Streifenwagen mochte einem ohne besonderen Grund folgen, aber jemand in einem Zivilfahrzeug verfolgte ein Ziel, und es sah so aus, als bestünde dieses Ziel darin, mir bewusst zu machen, dass ich beschattet wurde. Falls dem so war, funktionierte es tadellos. Ich konnte nicht durch die spiegelnde Windschutzscheibe sehen, um festzustellen, wer den anderen Wagen fuhr, aber es schien plötzlich ungeheuer wichtig zu erfahren, seit wann der andere Wagen hinter mir herfuhr, wer am Steuer saß und wie viel der Fahrer gesehen hatte.
    Ich bog in eine schmale Nebenstraße ab, fuhr an den Straßenrand und hielt an, der Taurus parkte direkt hinter mir. Einen Augenblick lang geschah gar nichts; wir saßen in unseren Autos und warteten. Würde man mich verhaften? Falls mich jemand vom Jachthafen aus verfolgt hatte, konnte es für den Dynamischen Dexter übel ausgehen. Früher oder später würde MacGregors Abwesenheit auffallen, und selbst die oberflächlichste Untersuchung würde zu seinem Boot führen. Jemand würde nachsehen, ob es noch dort war, und dann mochte die Tatsache, dass Dexter sich mitten am Tag dort aufgehalten hatte, sehr bedeutsam erscheinen.
    Es sind diese kleinen Dinge, die erfolgreiche Polizeiarbeit ausmachen. Polizisten halten nach diesen komischen Zufällen Ausschau, und wenn sie welche entdecken, können sie gegenüber der Person, die rein zufällig an zu vielen interessanten Orten war, sehr unangenehm werden. Selbst wenn diese Person im Besitz einer Polizeimarke und eines umwerfend charmanten falschen Lächelns ist.
    Es schien mir tatsächlich nichts anderes übrig zu bleiben, als zu bluffen: festzustellen, wer mir folgte und warum, und sie dann zu überzeugen, dass dies eine alberne Art war, seine Zeit zu verschwenden.
    Ich setzte meine beste offizielle Begrüßungsmiene auf, stieg aus dem Wagen und schritt forsch auf den Ford Taurus zu. Die Scheibe wurde heruntergekurbelt, und das stets zornige Gesicht von Sergeant Doakes starrte mir entgegen wie das aus einem dunklen Stück Holz geschnitzte Götzenbild eines bösartigen Gottes.
    »Warum verschwinden Sie in letzter Zeit so häufig mitten am Tag von der Arbeit?«, fragte er mich. Seine Stimme war eigentlich ausdruckslos, aber irgendwie gelang es ihm, den Eindruck zu vermitteln, dass alles, was ich sagte, eine Lüge sein und er mich nur zu gern dafür bestrafen würde.
    »Oh, Sergeant Doakes!«, grüßte ich ihn fröhlich. »Was für ein bemerkenswerter Zufall. Was machen Sie denn hier?«
    »Haben Sie etwas zu tun, das wichtiger ist als Ihr Job?«, fragte er. Er schien völlig desinteressiert an einem lebhaften Gespräch, deshalb zuckte ich die Achseln. Wenn man Menschen begegnet, die über nur wenig Begabung zur Konversation verfügen und offensichtlich auch nicht daran interessiert sind, diese zu kultivieren, ist es immer das Einfachste, sich anzupassen.
    »Ich, äh – ich musste mich um ein paar persönliche Angelegenheiten kümmern«, sagte ich. Ausgesprochen schwach, zugegeben, aber Doakes hatte die äußerst enervierende Angewohnheit, die unbequemsten Fragen zu stellen, und das mit so subtiler Bösartigkeit, dass es mir schwer genug fiel, nicht zu stammeln,
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