Du kannst mich einfach nicht verstehen: Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden (German Edition)
hauptsächlich Frauen als Freunde. Bei einem Besuch in England verbrachte er einige Zeit mit einem alten Freund. »Wir haben uns gegenseitig nachgegeben«, sagt er in dem Versuch, mir den Unterschied zu erklären. »Wir haben nicht die ganze Zeit versucht, dem anderen eine Nasenlänge voraus zu sein.« Ein Amerikaner äußerte eine ähnliche Ansicht. Er sagte, es falle ihm leichter, mit europäischen Männern zu reden. »Das Reden mit amerkanischen Männern«, kommentierte er, »ist wie das Betreten eines Kriegsgebietes.«
Und dennoch, der Mann, der zwei Jahre gebraucht hatte, um Männer zu finden, mit denen er sich anfreunden konnte, fand schließlich zwei. Und jeder kennt Frauen und Männer, die auf irgendeine Weise dem anderen Geschlecht ähnlicher sind als ihrem eigenen. Das ist ganz natürlich, da die von den Individuen entwickelten Verhaltensmuster auf unzähligen Einflüssen basieren, wie zum Beispiel dem Ort ihres Aufwachens, dem ethnischen Hintergrund, religiöser oder kultureller Zugehörigkeit, der Klasse und dem riesigen Reservoir persönlicher Erfahrung und genetischen Erbes, was das Leben und die Persönlichkeit jedes Menschen einzigartig macht. Aber die Erkenntnis eines Musters, mit dessen Hilfe die Einschätzung individueller Unterschiede möglich wird, ist ein Ausgangspunkt, der nicht nur die Entwicklung von Selbsterkenntnis, sondern auch von Flexibilität ermöglicht – sie gibt uns die Freiheit, etwas anderes zu versuchen, wenn die automatischen Verhaltensweisen nicht zu völlig zufriedenstellenden Resultaten führen.
Beide, Frauen und Männer, könnten davon profitieren, vom Stil des anderen zu lernen. Viele Frauen könnten von Männern lernen, etwas konfliktfreudiger zu werden und Unterschiede zu akzeptieren, ohne sie als Bedrohung der Intimität zu empfinden. Und viele Männer könnten von Frauen lernen, eine gegenseitige Abhängigkeit zu akzeptieren, ohne darin eine Bedrohung ihrer Freiheit zu sehen.
Die Neigung von Frauen, die Nähe zum anderen durch die Vermeidung von Konflikten zu bewahren, erklärt auch die zunächst überraschende Feststellung von Blumstein und Schwartz, dass Frauen eher den Wunsch haben, etwas ohne ihre Partner zu unternehmen, als Männer. Ich denke, das hat zwei Ursachen. Erstens ist vielen Frauen eine Art der Kommunikation mit ihren Freundinnen möglich, die sie mit ihrem Partner nicht haben, und in Gegenwart des Partners geht das nicht. Zweitens passen Frauen sich eher an, wenn sie mit ihren Partnern zusammen sind, erkaufen Harmonie auf Kosten ihrer eigenen Wünsche und Vorlieben. Aus diesem Grund setzt das Zusammensein mit dem Partner sie größerem Druck aus als Männern, die weniger geneigt sind, sich anzupassen.
Automatische Anpassung ist eine Belastung, aber der automatische Widerstand gegen den Willen des anderen ist das auch. Manchmal ist es effektiver, sich zu verhalten wie ein Verbündeter. Der »beste« Stil ist flexibel. Am freiesten sind die, die wählen können, welche Strategien sie anwenden wollen, nicht die, die sklavisch dasselbe Skript wieder und wieder durchspielen müssen – wozu wir alle neigen. Es ist nichts an sich Falsches am automatisierten Verhalten. Wenn wir nicht die meisten Dinge automatisch erledigen würden, würde es uns enorm viel Konzentration und Energie kosten, überhaupt etwas zu tun. Aber wenn wir uns unseres Gesprächsstils bewusst werden und wissen, wie effektiv er ist, können wir uns über unsere automatischen Impulse hinwegsetzen und unseren gewohnten Stil abändern, wenn er uns nicht dienlich ist.
Es kommt drauf an
In dem Versuch, sich ihres Gesprächsstils wirklich bewusst zu werden, fragen Leute mich oft, was ein bestimmter Ausdruck oder eine Sprechgewohnheit »wirklich bedeutet«. Ich antworte immer, dass keine Redewendung oder Angewohnheit nur eine einzige Bedeutung hat. Was, oberflächlich gesehen, wie derselbe Sprechstil aussieht, wie zum Beispiel das Überlappen – anfangen zu reden, wenn ein anderer bereits spricht –, kann die unterschiedlichsten Bedeutungen und Auswirkungen haben. Ein Zuhörer kann zusammen mit einem Sprecher das Wort ergreifen, um ihn zu unterstützen oder um das Thema zu wechseln. Sogar das Wechseln des Themas kann eine Vielzahl von Bedeutungen haben. Es kann einen Mangel an Interesse aufzeigen, es kann ein Versuch sein, das Gespräch zu dominieren, oder es kann eine Art »Mittel der gegenseitigen Enthüllungen« sein – der Zuhörer bringt Erfahrungen ein, die denen des Redners
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