Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Du Durchschaust Mich Nicht

Du Durchschaust Mich Nicht

Titel: Du Durchschaust Mich Nicht
Autoren: Farid
Vom Netzwerk:
über den Weg und fragte: ›Wie war es heute?‹ Ich antwortete: ›Ich bin nicht mehr auf Sendung!‹ Der war schockiert und schrie richtig rum: ›Wer hat mich übergangen? Wie soll er es lernen, wenn man ihn nicht auf Sendung lässt!‹ Dann gab es ein internes Rundschreiben, dass ich mindestens einmal am Tag auf Sendung gehe, und es solle alles nach meinen Wünschen umgesetzt werden. ›Verbleibe ohne Gruß‹ stand darunter.«
    Und jetzt kreierte er endgültig die Kunstfigur Salvatore, bastelte sich seine Requisiten selbst und konzentrierte sich voll und ganz auf die Präsentation: Brille, Anzug, Akzent, italienische Polizeisirene (diese stoppte, wenn die Zeit rum war) – das waren alles seine eigenen Ideen.
    Die Sendung lief länger als vier Tage und auch länger als zwei Wochen, sie lief mehrere Jahre, und es gab schon bald 400 000  Anrufe pro Auftritt. Leider gab es noch keine 0190 er-Nummern, dann hätte »Salvatore« wahrscheinlich Millionen umgesetzt, denn die Post beschwerte sich ständig beim Sender, weil ihr jedes Mal während der Sendung das Leitungsnetz zusammenbrach.
    Für mich war Salvatore schon als Kind ein Meister der Ablenkung, und genau dazu wollte ich jetzt mehr wissen. Dass er den Telefonkandidaten und die Zuschauer verbal ablenkte, war klar. Und natürlich auch durch seine Rolle. Er galt als der Mafioso, der Geld abzockt. Er konnte noch so oft den Tipp geben, dass die Kugel nicht unter der ausgewählten Schale ist, und dem Kandidaten anraten, eine andere zu wählen. Die meisten trauten ihm nicht.
    »Ach, Farid, das Spiel war einfach! Ich sagte zum Beispiel: ›Schau mir nix in die Augen, sondern auf die Nüsse.‹«
    Jetzt musste ich auch laut lachen, ja, der Offbeat, der schafft die beste Ablenkung und zudem Stimmung.
    Selbst wenn man die richtige Nussschale fixiert, ist man abgelenkt und bekommt die Fingertechnik nicht mit, mit der die Kugel scheinbar unsichtbar unter eine andere Nuss gerollt wird. Und Salvatores Hände waren immer in Bewegung, blitzschnell, da bekam man nicht alle Bewegungen und Griffe mit, das war schlichtweg zu viel fürs Auge.
    Ich erinnere mich selbst noch an eine Szene, als er ein Baby im Hintergrund eines Anrufers hörte und fragte: »Aäähhh, wer bist du? Isch möchte mit di’ spielen. Wasa machstda du beruflisch?«
    Salvatore war und ist witzig und schlagfertig, die besten Voraussetzungen für einen Meister der Ablenkung. Er nennt das Zusammenspielen »eine momentane zwielichtige Partnerschaft« und freut sich über die gute Beschreibung, die er gefunden hat. Er erklärt mir, dass er selbst nicht gedacht hätte, dass die Sendung so erfolgreich wird. Er dachte, das ist doch eigentlich ein langweiliges Spiel, wenn man es immer wieder macht. Aber es baute sich eine spannende Dreierbeziehung auf, zwischen Salvatore, dem jeweiligen Mitspieler und den vielen Fernsehzuschauern. Die Nüsse waren sozusagen das Bindeglied. »Und die Mitspieler in der Show waren Kanonenfutter, um die eine Million Zuschauer zu befriedigen.«
    Und dann frage ich Salvatore, ob es ihm leichtgefallen ist, die Leute zu täuschen, abzuzocken. Und auch hier erhalte ich eine ehrliche und wortspritzige Antwort: »Ich zwinge Menschen zu ihrem Glück! Ich lasse sie einen magischen Moment erleben und demonstriere ihnen ihre Grenzen: Jeder denkt doch:
Mir würde so etwas nicht passieren – mit mir geht so was nicht!
Im Nachhinein sind alle ein bisschen beschissen worden. Aber das sage ich ja auch von vornherein! Der wichtige Unterschied war, dass niemand sein eigenes Geld verloren hat. Der Mitspieler hat, wenn überhaupt, gewonnenes Geld verloren. Somit ist doch alles harmlos geblieben.«
    Später erzählt er mir noch, wie er einmal selbst unbedingt gewinnen wollte. Das war nicht bei einem Fernsehauftritt, sondern bei einem Treffen mit seinem zwei Jahre jüngeren Bruder, einem erfolgreichen Restaurantbesitzer, der seinen künstlerischen Werdegang nie hatte verstehen können. Sie hatten richtig Streit und Funkstille gehabt, sich dann aber endlich wieder getroffen, um die Fehde beizulegen. Und dann sagte der Bruder, der wohl selbst eine ausgeprägte Vorliebe für Karten- und Glücksspiele hat: »Du kannst es ja nur im Fernsehen, Franco! Live geht es gar nicht!«
    Als ich das hörte, musste ich laut lachen, denn ich selbst kenne diesen Satz nur zu gut.
    Salvatore alias Franco antwortete: »Okay, Bruder, jetzt kann ich mitgehen. Fünf Mark das Spiel!«
    »Farid, so leicht habe ich in zehn Minuten
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher