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Dreimal im Leben: Roman (German Edition)

Dreimal im Leben: Roman (German Edition)

Titel: Dreimal im Leben: Roman (German Edition)
Autoren: Arturo Pérez-Reverte
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Dort steht er, neben der Tür.«
    Erleichtert schließt er die Augen in dem wohligen Gefühl, sich um nichts kümmern zu müssen. Und dann erinnert er sich an den Rest.
    »So viele Jahre wie ein Schachbrett Felder hat, hast du gesagt.«
    »Ganz recht.«
    »Nicht für deinen Sohn ... Ich habe es nicht für ihn getan.«
    Mecha drückt ihre Zigarette aus.
    »Nicht nur, meinst du.«
    »Ja. Vielleicht meine ich das.«
    Sie bewegt sich, steht auf, legt sich neben ihn.
    »Ich weiß immer noch nicht, was du mit alldem eigentlich bezwecken wolltest«, sagt sie sehr leise.
    Es ist die Dunkelheit, denkt er, die diese Situation so befremdlich macht. Irreal. Als befänden wir uns in einer anderen Zeit. In einer anderen Welt. In anderen Körpern.
    »Warum ich ins Hotel gezogen bin?«
    »Ja.«
    Max schmunzelt, er weiß, dass sie sein Gesicht nicht sehen kann.
    »Ich wollte wieder der sein, der ich einmal war«, entgegnet er schlicht. »Mich fühlen wie damals ... Einer meiner absurdesten Pläne bestand in der Möglichkeit, dich noch einmal zu berauben.«
    Sie wirkt überrascht. Und skeptisch.
    »Du erwartest nicht, dass ich dir das abnehme.«
    »Berauben ist vielleicht nicht der richtige Ausdruck. Wahrscheinlich nicht. Aber so etwas in der Art hatte ich vor. Natürlich nicht wegen des Geldes. Nicht wegen ...«
    »Schon gut«, fällt sie ihm ins Wort. »Verstehe.«
    »Am ersten Tag habe ich dein Zimmer durchsucht. Und stell dir vor: nach neunundzwanzig Jahren habe ich dich in jedem Gegenstand wiedererkannt. Und ich habe das Collier gefunden.«
    Max atmet die Nähe der Frau, spürt sie mit allen Sinnen. Sie riecht nach Tabak und dem Hauch eines sehr zarten Parfüms. Einen Moment lang fragt er sich, ob ihre nackte, verwelkte, altersfleckige Haut noch genauso duftet wie damals, als er sie in Buenos Aires oder in Nizza in den Armen hielt. Wahrscheinlich nicht. Ganz sicher nicht. Genauso wenig wie seine Haut noch so riecht wie früher.
    »Ich hatte die Absicht, dir das Collier zu stehlen«, sagt er nach einer Weile. »Nichts weiter. Dich gewissermaßen ein drittes Mal zu verführen. Es mitgehen zu lassen wie in der Nacht, als wir aus La Boca zurückkamen.«
    Mecha schweigt.
    »Dieses Collier ist nicht mehr so viel wert wie zu der Zeit,als wir uns kennenlernten«, sagt sie dann. »Ich glaube kaum, dass du heute auch nur halb so viel dafür bekämest.«
    »Darum geht es nicht. Um den Wert. Es war nur ein Versuch, dich ... Nun ja. Ich weiß nicht. Ein Versuch.«
    »Dich jung und heldenhaft zu fühlen?«
    Er schüttelt im Dunkeln den Kopf.
    »Dir zu sagen, dass ich nichts vergessen habe. Dass ich dich nicht vergessen habe.«
    Wieder Schweigen. Und ihre nächste Frage.
    »Warum bist du nie bei mir geblieben?«
    »Du warst die Verkörperung eines Traums.« Er denkt über seine Antwort nach und bemüht sich um Genauigkeit. »Ein rätselhaftes Wesen aus einer anderen Welt. Ich meinte nie, das Recht zu haben ...«
    »Du hattest es, du Idiot.«
    »Ich konnte es nicht sehen. Es war unmöglich ... Es passte nicht zu meiner Sicht der Dinge.«
    »Dein Säbel und dein Pferd, nicht wahr?«
    Max versucht, sich aufrichtig zu erinnern.
    »Das weiß ich nicht mehr«, gesteht er.
    »Klar. Aber ich. Ich weiß noch jedes deiner Worte.«
    »Ich jedenfalls habe mich in deinem Leben immer wie auf Besuch gefühlt.«
    »Seltsam, dass du das sagst. Dabei war ich es doch, die sich in deinem immer auf Besuch gefühlt hat.«
    Sie ist aufgestanden und zum Fenster gegangen. Als sie den Vorhang ein Stück zur Seite zieht und das Licht von der Hotelterrasse heraufscheint, zeichnet sich ihre dunkle, reglose Silhouette ab.
    »Mein ganzes Leben habe ich davon gezehrt, Max. Von unserem stummen Tango im Palmensalon der Cap Polonio. Von dem Handschuh, den ich dir an dem Abend in La Ferroviaria in die Brusttasche gesteckt und am nächsten Tag in deiner Pension in Buenos Aires wieder abgeholt hatte.«
    Er nickt, obwohl sie ihn nicht sehen kann.
    »Der Handschuh und das Collier ... Ja. Ich erinnere mich an das Licht, das durch das Fenster auf die Bodenfliesen und über das Bett fiel. An deinen nackten Körper und an meine Fassungslosigkeit, weil du so bezaubernd warst.«
    »Mein Gott«, murmelt sie wie zu sich selbst. »Du warst bildschön, Max. Elegant und bildschön. Ein ganz und gar perfekter Gentleman.«
    Er lacht freudlos. Gepresst.
    »Das war ich nie«, erwidert er.
    »Mehr als die meisten Männer, die ich kannte. Einem wahren Gentleman ist es egal, ob er einer ist oder
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