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Dreimal im Leben: Roman (German Edition)

Dreimal im Leben: Roman (German Edition)

Titel: Dreimal im Leben: Roman (German Edition)
Autoren: Arturo Pérez-Reverte
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nicht; er ist es einfach.«
    Sie kommt zurück ans Bett. Den Vorhang hat sie halb offen gelassen, und das matte Licht von draußen verleiht den Gegenständen im Zimmer wieder Kontur.
    »Was mich von Anfang an fasziniert hat, war dein Mangel an Habgier. Deine phlegmatische Art, nichts zu erwarten.«
    Sie steht neben dem Bett und zündet sich eine Zigarette an. Die Streichholzflamme beleuchtet ihre knochigen Finger mit den gepflegten Nägeln, ihre Augen, die auf Max gerichtet sind, und unter dem kurz geschnittenen grauen Haar die Furchen auf ihrer Stirn.
    »Du lieber Himmel. Du brauchtest mich nur zu berühren und ich habe gezittert.« Sie schüttelt die Flamme aus, es bleibt nur die Zigarettenglut. Und deren Abglanz als kupferfarbenes Glimmen in ihren Augen.
    »Ich war bloß jung«, sagt er. »Ein Jäger, der sein Überleben sichern musste. Du dagegen warst, ich kann es nur wiederholen, schön wie ein Traum ... Eines dieser Wunderwesen, auf die ein Mann nur hoffen kann, solange er jung und kühn genug ist.«
    Sie steht aufrecht neben dem Bett, ein Schattenriss im Dämmerlicht.
    »Es war erstaunlich ... Und es gelingt dir immer noch.« Zweimal leuchtet der Glutpunkt ihrer Zigarette auf. »Wie schaffst du das? Nach all den Jahren? Du konntest so unglaublich mit Gesten und Worten jonglieren. Du konntest etwas sagen, das vielleicht gar nicht von dir kam, sondern das du beim Durchblättern irgendeiner Zeitschrift gelesen oder in einem Gespräch aufgeschnappt hattest, und trotzdem bekam ich davon eine Gänsehaut; und wenn ich es auch nach zwanzig Sekunden wieder vergessen hatte, die Gänsehaut blieb ... Das geht mir heute noch so. Hier, fühl mal. Du bist ein geschundener, hinfälliger alter Mann, und immer noch passiert mir das mit dir. Ich schwöre es.«
    Sie hat einen Arm nach Max ausgestreckt und tastet nach seiner Hand. Das mit der Gänsehaut stimmt, stellt er fest. Und sie fühlt sich warm und weich an. Im Halbdunkel ist ihre hochgewachsene, schlanke Silhouette dieselbe wie früher.
    »Dein Lächeln, so ruhig und unverschämt ..., auch kühn, ja. Das hast du dir bewahrt, trotz allem. Das alte Salontänzerlächeln.«
    Sie legt sich zu ihm auf die Tagesdecke. Wieder ihr feiner Geruch, ihre warme Nähe. Der rote Punkt erhellt ihr Profil, und er spürt die Hitze der Zigarettenglut im Gesicht.
    »Wenn ich meinen kleinen Sohn gestreichelt habe, glaubte ich immer, dich zu streicheln. Und es passiert mir bis heute, wenn ich ihn ansehe. Ich sehe dich in ihm.«
    Stille. Dann hört er sie leise lachen, und es klingt fast glücklich.
    »Sein Lächeln, Max ... Sag bloß, du erkennst dieses Lächeln nicht.«
    Sie stützt sich auf einen Ellbogen, tastet über den Nachttisch und drückt die Zigarette aus.
    »Ruh dich aus, erhol dich«, fügt sie hinzu. »Lass dich endlich einmal fallen. Ich habe dir doch gesagt, ich passe auf dich auf.«
    Eng an ihn geschmiegt, rollt sie sich zusammen. Max schließt zufrieden die Augen. Heiter. Aus unerfindlichen Gründen hat er mit einem Mal das Bedürfnis, ihr eine alte Geschichte zu erzählen.
    »Mit siebzehn war ich zum ersten Mal mit einer Frau zusammen«, beginnt er leise, die Erinnerung heraufzubeschwören. »Ich war Page im Ritz in Barcelona. Ich war sehr groß für mein Alter, und sie eine reife Dame. Irgendwie hatte sie mich in ihr Zimmer gelotst ... Als ich kapierte, was sie wollte, brachte ich es, so gut ich konnte, hinter mich. Und zum Schluss, als ich mich wieder anzog, gab sie mir hundert Peseten. Zum Abschied näherte ich mich ihr ganz unbedarft, um ihr einen Kuss zu geben, aber sie wandte empört das Gesicht ab ... Und als ich ihr später im Hotel wieder über den Weg lief, würdigte sie mich keines Blickes.«
    Er verstummt einen Moment und sucht nach der Nuance, dem Detail, die ihr begreiflich machen würden, was das für ihn bedeutet hatte.
    »In den fünf Sekunden, nachdem diese Frau sich von mir weggedreht hatte«, setzt er schließlich hinzu, »habe ich Dinge verstanden, die ich mein Lebtag nicht vergessen werde.«
    Das folgende Schweigen ist lang. Mecha hat reglos zugehört, den Kopf an seine Schulter gelehnt. Dann regt sie sich, rückt noch ein wenig näher. Er spürt ihren schmalen, zerbrechlichen Körper und durch die Bluse die kleinen Brüste, die ganz anders sind, als er sie in Erinnerung hat. Und er fühlt sich seltsam gerührt. Tief bewegt.
    »Ich liebe dich, Max.«
    »Immer noch?«
    »Immer noch.«
    Ihre Münder finden einander mühelos, blind und sanft. Ein
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