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Dreifach

Titel: Dreifach
Autoren: Ken Follett
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aber ich halte dich für großartig, sinnierte Borg. Er bedachte den Araber mit einem dünnen Lächeln, während die Türen der U-Bahn zuglitten. »Ich weiß es«, sagte er.

2
    D AS AMERIKANISCHE MÄDCHEN war von Nat Dickstein sehr beeindruckt.
    Sie jäteten und hackten Seite an Seite in einem staubigen Weingarten, während ein leichte Brise vom Galiläischen Meer herüberblies. Dickstein hatte sein Hemd ausgezogen und arbeitete in Shorts und Sandalen – mit jener Geringschätzung der Sonne, die nur in der Stadt Geborene besitzen können.
    Er war ein schmächtiger Mann, feingliedrig, mit schmalen Schultern, einem flachen Brustkasten, knorrigen Ellbogen und Knien. Karen beobachtete ihn immer, wenn sie eine Pause machte, was oft geschah, während er sich nie auszuruhen schien. Zähe Muskeln bewegten sich wie knotige Taue unter seiner braunen, vernarbten Haut. Sie war eine sinnliche Frau, und am liebsten hätte sie die Narben mit den Fingern berührt und ihn gefragt, woher er sie hatte.
    Manchmal blickte er auf und überraschte sie dabei, wie sie ihn anstarrte. Dann grinste er ohne Scheu und arbeitete weiter. Sein Gesicht war regelmäßig geschnitten und wies keine besonderen Merkmale auf. Er hatte dunkle Augen hinter billigen, runden Brillengläsern von der Art, die Karens Generation gefiel, weil John Lennon sie trug.Sein Haar war ebenfalls dunkel und kurz; Karen wünschte sich, daß er es wachsen ließe. Wenn er sein schiefes Grinsen aufsetzte, sah er jünger aus. Aber es war stets schwer zu raten, wie alt er sein mochte. Er hatte die Kraft und Energie eines jungen Mannes, doch sie hatte die Tätowierung des Konzentrationslagers unter seiner Armbanduhr gesehen. Er konnte also nicht viel jünger als vierzig sein.
    Er war im Sommer 1967, kurz nach Karen, im Kibbuz eingetroffen. Sie war mit ihren Deodorants und ihren Antibabypillen gekommen – auf der Suche nach einem Ort, wo sie ihre Hippie-Ideale ausleben konnte, ohne 24 Stunden am Tag unter Drogen zu stehen. Man hatte ihn in einem Krankenwagen gebracht. Sie nahm an, daß er im Sechstagekrieg verwundet worden war, und die anderen Kibbuzniks stimmten vage zu, daß es so etwas gewesen sei.
    Seine Begrüßung hatte sich sehr von ihrer unterschieden. Karen war freundlich, aber vorsichtig empfangen worden: In ihrer Philosophie erkannten sie ihre eigene, mit gefährlichen Zusätzen. Nat Dickstein kehrte wie ein lange verlorener Sohn zurück. Sie scharten sich um ihn, fütterten ihn mit Suppe und hatten Tränen in den Augen, nachdem sie seine Wunden gesehen hatten.
    Wenn Dickstein eine Art Sohn für diese Leute war, dann war Esther ihre Mutter. Sie war das älteste Mitglied des Kibbuz. Karen hatte einmal gesagt: »Sie sieht aus wie Golda Meirs Mutter«, und einer der anderen hatte geantwortet: »Ich glaube, sie ist Goldas Vater .« Und alle hatten liebevoll gelacht. Sie benutzte einen Spazierstock, stapfte durch das Dorf und gab ungebeten Ratschläge, von denen die meisten sehr weise waren. Sie hatte vor Dicksteins Krankenzimmer Wache gestanden und lärmende Kinder fortgescheucht, indem sie ihren Stock schwenkte und Prügel androhte, von denen selbst die Kinder wußten, daß sie nie ausgeteilt werden würden.
    Dickstein hatte sich sehr schnell erholt. Schon nacheinigen Tagen saß er draußen in der Sonne, putzte Gemüse für die Küche und erzählte den größeren Kindern derbe Witze. Zwei Wochen später arbeitete er auf den Feldern, und bald schaffte er mehr als alle, außer den jüngsten Männern.
    Seine Vergangenheit lag im Dunkel, aber Esther hatte Karen die Geschichte seiner Ankunft in Israel im Jahre 1948, während des Unabhängigkeitskrieges, erzählt.
    1948 war für Esther jüngste Vergangenheit. Sie hatte als junge Frau in den ersten beiden Jahrzehnten des Jahrhunderts in London gelebt und war an einem halben Dutzend radikaler linker Bewegungen, vom Suffragettentum bis zum Pazifismus, aktiv beteiligt gewesen, bevor sie nach Palästina emigrierte; aber ihre Erinnerung reichte noch weiter zurück, zu Pogromen in Rußland, die vage in monströsen Alptraumbildern vor ihr standen.
    Sie hatte in der Tageshitze unter einem Feigenbaum gesessen, einen Stuhl lackiert, den sie mit ihren eigenen knotigen Händen gemacht hatte, und von Dickstein erzählt wie von einem schlauen, aber boshaften Schuljungen.
    »Sie waren acht oder neun Männer, einige von der Universität, andere Arbeiter aus dem East End. Wenn sie je Geld besessen hatten, war es ausgegeben, bevor sie Frankreich
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