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Dragon Touch

Dragon Touch

Titel: Dragon Touch
Autoren: G. A. Aiken
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klappte ihr Buch zu und seufzte. Sie wusste, dass
sie sich nicht den ganzen Tag in ihrem Zimmer verstecken konnte, egal, wie sehr
sie sich das wünschte. Sie wusste, sie musste sich ihrem Vater stellen und ihm
sagen, was sie getan hatte. Die Tatsache, dass sie es für das Herrschaftsgebiet
und das Volk ihres Vaters getan hatte, würde Dem Reinholdt, dem mächtigsten
Warlord der Nordländer, wenig bedeuten. Doch sie hatte früh in ihrem Leben
gelernt, die »fünf Minuten« ihres Vaters, wie sie sie gern nannte, zu
ignorieren, wenn sie letztendlich das bekam, was sie wollte.
    Sie legte ihr Buch beiseite, stand auf und zog eines ihrer
grauen Wollkleider an. Sie zog es zurecht und schlang sich dann einen
schlichten Ledergurt um die Hüften. Den kleinen Dolch, den sie benutzte, um
kleinere Dinge zu schneiden, steckte sie in den Gurt und band sich dann ein
graues Kopftuch um; ihr langer, geflochtener Zopf reichte ihr weit über den
Rücken hinab.
    Bevor sie sich in dem mannshohen Spiegel neben ihrem Bett
einen flüchtigen Blick zuwarf, setzte sich Dagmar vorsichtig ihre Augengläser
auf die Nase. Zum Lesen brauchte sie sie nicht, aber für alles andere. Vor
vielen Jahren war es ein Mönch, der liebe Bruder Ragnar gewesen, der Dagmar
ihre ersten Augengläser geschenkt hatte, als er bemerkte, wie oft sie
blinzelte, wenn sie mehr als ein paar Zentimeter über ihre Nase hinausschaute.
Er hatte die Augengläser selbst gemacht, und sie trug sie seitdem.
    Ein schneller Blick in den Spiegel sagte ihr, dass das
Ganze nicht zu furchtbar aussah, also verließ sie ihr Zimmer und erlaubte ihrem
Hund vorauszurennen. Dagmar schloss ihre Tür ab und kontrollierte zweimal, ob
sie auch wirklich fest verschlossen war, bevor sie die steinernen Hallen der
Festung ihres Vaters durchquerte. Sie war hier geboren und hatte sich nie
weiter als bis in die nächste Stadt entfernt. Sie wusste, sie würde eines Tages
hinter diesen Mauern sterben, es sei denn, sie konnte ihren Vater überreden,
ihr ein kleines Haus irgendwo in den umliegenden Wäldern vor den Toren zu
schenken. Tragischerweise würde sie noch mindestens zehn Jahre warten müssen,
bis sie ganz sicher in die Kategorie »alte Jungfer« gehörte.
    In den Nordländern entfernten sich Frauen niemals weit von
ihren Angehörigen, bis sie ihren Ehemännern übergeben wurden. Nach drei
Eheversuchen bezweifelte sie, dass noch irgendein Mann daherkommen würde, der
närrisch genug war, im Reinholdt-Clan seinen Hals zu riskieren, nur um sie ins
Bett zu bekommen. Was sie, wenn sie ehrlich mit sich war – und wann war sie das
nicht? – sehr erleichternd fand.
    Einige Dinge gehörten von Natur aus zu den Eigenschaften
ihres Geschlechts. Gefällig zu sein, liebevoll, charmant und zärtlich – sie
kannte viele Frauen, die diese Gaben von Natur aus besaßen. Dagmar dagegen
besaß keine dieser Eigenschaften – wenn sie auch für kurze Zeit so tun konnte,
als ob. Wenn sie durch Vortäuschung bekam, was sie wollte, warum also nicht?
    Denn Dagmar wusste, dass es Schlimmeres auf dieser Welt
gab als vorzugeben, eine liebevolle, sittsame Frau zu sein. Nämlich zum
Beispiel, wirklich eine liebevolle, sittsame Frau zu sein. Die Nordländer waren eine raue, harte
Gegend und nichts für solche, die reinen Herzens und schwachen Geistes waren.
Sich tatsächlich zu kümmern oder wirklich so schwach zu sein, wie die
Nordmänner es von ihren Frauen erwarteten, war ein ausgezeichneter Weg, jung zu
sterben.
    Und Dagmar hatte die Absicht, hundert Jahre alt zu werden.
Mindestens.
    Das intensive Studium der Papiere in ihren Händen erlaubte
es Dagmar, alles zu ignorieren, was um sie herum vorging. Die heftigen Streits,
die betrunkenen Angehörigen, die überall auf dem Boden herumlagen, die sich
windenden Körper in dunklen Ecken.
    Ein
Morgen wie jeder andere in der Reinholdt-Festung .
    Sie hatte sich selbst schon vor langer Zeit beigebracht,
all die irrelevanten Aktivitäten um sich herum einfach auszublenden, die sie
nur von den wichtigen Dingen ablenkten.
    Das war einfach, wenn ihr Hund Knut kühn neben ihr
herging, mit Argusaugen wachte und sie beschützte. Sie hatte ihn von seiner
Geburt an aufgezogen, und jetzt war er ihr treuer Gefährte. Er war einer der
vielen Kampfhunde, die sie für ihren Vater gezüchtet und ausgebildet hatte,
seit sie neun Winter alt gewesen war, aber Knut gehört ihr und niemandem sonst.
Seit drei Jahren beschützte er sie, wie Knuts Vater sie beschützt hatte: wild,
grimmig und brutal. So
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