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Dr. med. Erika Werner

Dr. med. Erika Werner

Titel: Dr. med. Erika Werner
Autoren: Heinz G. Konsalik
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wäre …!«
    Er ging durch die Station, betrachtete kurz die Kranken, ließ einen Verband wechseln und verabschiedete dann auf dem Flur den weißen Schwarm von Assistenten, der ihn durch die Zimmer begleitet hatte. Im Treppenhaus wartete er, bis die jungen Ärzte gegangen waren, rauchte eine Zigarette und ging hin und her. Dann schlenderte er hinüber zum Zimmer Erika Werners, klopfte und trat, als er keine Antwort bekam, einfach ein.
    Die Vorhänge waren noch vorgezogen, Erika lag auf der Seite und schlief. Ein Bein sah unter der Decke hervor, ein nacktes, langes schlankes Bein mit zierlichen, rot lackierten Zehen.
    Dr. Alf Bornholm setzte sich in den Sessel, der am Fenster stand und betrachtete das schlafende Mädchen. Der merkwürdige Zwiespalt in ihm brach wieder auf. Er hatte plötzlich den Drang, Erika Werner eine Erklärung abgeben zu müssen. Nicht, daß er das Gefühl hatte, sie zu lieben und sich für seine Verlobung entschuldigen zu müssen … das war es nicht. Er hatte damals in der Berghütte einen Augenblick durchlebt, in dem er bereit war, die junge Ärztin so zu behandeln wie alle Mädchen, die er auf die einsamen Felsen mitgenommen hatte. Er hatte sogar bei der Hinfahrt an ein solches Abenteuer gedacht, an die ›süßen Abwechslungen‹, wie er es nannte. Von all diesen Vorhaben und stillen Leidenschaften war dann nichts geblieben, als er die fast kindliche Freude Erikas sah, das Vertrauen, das sie zu ihm hatte, die natürliche Unbefangenheit, die so weit entfernt von der knisternden Spannung war, die er bei jeder der bisherigen Hüttenbesucherinnen in den Augen und in den Bewegungen der Körper gesehen hatte.
    Erika drehte sich auf den Rücken. Sie seufzte, streckte die Arme aus und erwachte. Ihr erster Blick fiel auf das nachdenkliche Gesicht Dr. Bornholms. Sie fuhr hoch und zog die Decke bis ans Kinn.
    »Was machen Sie denn hier?« fragte sie grober, als sie wollte. »Wie kommen Sie hier herein?«
    »Durchs Schlüsselloch. Ich wollte Ihnen sagen, daß es Koko gut geht. Er erkennt jetzt auch seine Banane wieder …«
    »Das freut mich!« Erika Werner sah auf die kleine Reiseuhr. Fast 12 Uhr mittags. »Wenn ich angezogen wäre, würde ich Ihnen gratulieren«, sagte sie mit erzwungen gleichgültiger Stimme. »Ich hole es noch nach.«
    »Fräulein Werner …« Bornholm sah auf seine Hände. »Wenn ich zu dieser Verlobung noch etwas sagen darf …«
    »Warum? Ich beglückwünsche Sie. Ich freue mich sogar mit Ihnen …«
    »Warum lügen Sie?«
    »Ich lüge nie! Ich habe nie in meinem Leben die Unwahrheit gesagt. Ich hasse Lügen …«
    »Dann haben Sie heute begonnen, Ihren Haß zu vergessen.«
    Erika senkte den Blick. Er war ihr unmöglich, Bornholm noch länger anzusehen, ohne die gewaltsam festgehaltene stolze Haltung zu verlieren.
    »Ich möchte mich anziehen. Bitte gehen Sie solange hinaus …«
    Dr. Bornholm sprang aus dem Sessel auf. »Ich weiß nicht, warum ich es tue … aber ich muß mit Ihnen über diese Verlobung sprechen.«
    Er weiß es nicht, dachte Erika bitter. Natürlich kann er es nicht wissen. Was bin ich denn schon in seinen Augen?
    »Bitte …«, sagte sie und stellte ein Bein auf den Boden.
    Bornholm verließ das Zimmer. Aber er wartete nicht vor der Tür. Er fuhr mit dem Aufzug hinauf zu seinem Oberarztzimmer und trank einen Cognac. Dann, nach etwa zwanzig Minuten Warten, rief er Erika Werner an.
    »Kann ich Sie heute abend sehen?«
    »Mich? Aber warum denn?« Erikas Stimme war unsicher.
    »Wir könnten ins Kino gehen. Sagen Sie ja. Bitte …«, bettelte er.
    »Ja …«
    Es knackte in der Leitung. Erika hatte aufgelegt. Verwirrt stand sie am Fenster und sah hinunter in den Garten. Sie ärgerte sich über ihre Zusage, und doch war sie glücklich, Bornholm am Abend zu sehen, ihn neben sich sitzen zu haben, seine Gegenwart zu spüren.
    Den ganzen weiteren Tag über vermied es Erika Werner, mit Dozent Dr. Alf Bornholm zusammenzutreffen. Sie kümmerte sich um ihre Kranken, saß an den Betten und unterhielt sich mit ihnen, ließ sich von ihren kleinen und großen Sorgen erzählen und tröste die Verzweifelnden.
    Und trotz des Leides, das sie vielgestaltig umgab, hätte sie ausrufen können: Das Leben ist schön … so schön …
    Am Nachmittag schellte im Dienstzimmer des Ersten Oberarztes das Telefon.
    »Ein Privatgespräch, Herr Dozent«, sagte die Sekretärin. »Soll ich umstellen?«
    »Eine Frau?« fragte Bornholm ahnungsvoll.
    »Natürlich, Herr Dozent!« Die Stimme der
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