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Don Blech und der silberne Regen

Don Blech und der silberne Regen

Titel: Don Blech und der silberne Regen
Autoren: Max Kruse
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wasserdicht zu machen, und das war ihr großer Kummer. Sehr hübsch war es aber, dass fast jedes Haus, auch das kleinste, noch eine Zeltstube wie ein Vogelnest über dem Wohnzelt hatte. Man nannte sie das Oberstübchen. Sie hing meist — ähnlich einer Hängematte — zwischen einem Gestänge aus dünnen Latten. Hühnerleitern oder Strickleitern führten hinauf. Aber die Wattels benutzten diese Leitern fast nie — sie schwebten empor.
    Ja, sie schwebten. Das war nämlich ihre Eigenart: Wenn sie sehr, sehr glücklich waren, dann erhoben sie sich leicht vom Boden, so ungefähr vier bis fünf Meter hoch. Höher nie. Sie schwebten vor Glück — schwebten wie die Wolken. Und so erreichten sie ihre Oberstübchen natürlich sehr leicht. Und daher nannten sie diese auch manchmal ihre Glückszimmer.
    Ein besonders großes Haus gab es in Wattelstadt, mit zahlreichen verschieden hohen Zeltgiebeln. Auch die Zeltwände waren verschiedenfarbig — und es hatte zwei Oberstübchen. Eines für die Wattemutter und eines für ihre Tochter Watteia. Dieses Haus nannte man den Wattepalast, es stand auf einem Hügel, eine lange Treppe führte empor bis zum Portal, das aussah wie ein Theatervorhang.
    Hier regierte die Wattemutter ihr treues Volk. Sie war also das, was man eine Königin nennen könnte — aber eigentlich war sie mehr so eine Art Haushaltsvorstand. Deshalb hieß sie eben auch Wattemutter.
    Die Wattemutter war freundlich, lieb und sehr dick. Es fiel ihr oft schwer, die richtigen Maßnahmen zu erkennen, und noch mehr, sie durchzusetzen.
    Watteia, ihre Tochter, war ganz ihrer würdig: weich, bollig, kugelig, zart — zum Davonpusten süß.

    Jeder liebte sie. Wattemutter vor allem. Aber noch mehr vielleicht, oder jedenfalls auf andere, heftigere Weise, Klein-Wattoneon. Obwohl der nette Kerl nur der städtische Fädcheneinsammler und Fusselaufklauber war. War da nicht seine Liebe hoffnungslos? Außerdem hatte ihn ja Watteia noch nicht einmal gesehen... Nein, sie erblickte ihn nie, wenn er ihre Fusseln auf der Straße aufklaubte und sie zärtlich an sein Herz drückte, anstatt sie in die Müllfusselkarre zu kehren.
    In Wattelland schien fast immer die Sonne. Wenn es allerdings einmal regnete, war das ganz schlimm. Es war fürchterlichst! Die Wattels vertrugen keinen Regentropfen: Sofort klatschte ihr Watteflausch zusammen — er verwandelte sich in eine hässliche, quatschnasse, herunterhängende Masse. Das Wasser floss heraus, wenn man nur mit dem Finger daran stippte. Und die Wattels bibberten vor Kälte. Auch konnten sie nicht glückselig schweben, wenn sie nass waren.
    Das Trocknen dauerte manchmal viele Stunden und man war nie sicher, ob die ursprüngliche, hübsche, lockere Körperform sich wieder einstellte. In schlimmen Fällen blieb ein verwüstetes Gewirr kleiner Fäden übrig, eine Art verfilzter Lappen.
    Das durfte nicht so bleiben — und das konnte auch nicht mit rechten Dingen zugehen. Wattemutter steigerte sich immer mehr in den Gedanken hinein, dass es ihre Pflicht sei, das zu ändern. Sie kam zu der Überzeugung, der Regen sei ein persönlicher, lebendiger Feind ihres Völkchens. Eine Art Geist, ein silbergrauer Riese. Ein Regendrache, der manchmal donnerte und grollte, und der — wenn’s ganz schlimm wurde — feurige Blitze spuckte.
    Lange, lange sann sie auf Abhilfe. Nächtelang wogte sie im Wattepalast auf und ab, sodass die Wände schwankten. Wie war der grimmige Feind zu besiegen? Welcher kühne Ritter, welcher Jung-Siegfried eilte ihr zu Hilfe, um ihr das Ungeheuer zu Füßen zu legen — als plätscherndes Bächlein?
    Einen General Wattel hatte sie nicht und eine Armee noch weniger. Sie brauchte ja sonst keine Soldaten, die Glückliche.
    Plötzlich, bei Dunkelheit, genau um Mitternacht, kam ihr die erleuchtende Idee: Sie musste jemand anderen für sich kämpfen lassen. Aber wen? Und weshalb? Nur so? Oder sollte sie sich ihm dafür zum Weibe versprechen? Nein, dazu war sie wohl schon zu alt...
    Wattela! Was war mit Wattela? In allen Märchen sind die Königstöchter der Preis, der dem tapferen Helden winkt. Mögen die Töchter nun wollen oder nicht. Es war einfach so. Und bei ihr würde es auch so sein.
    Sie ließ den Obereinpuderer kommen — er war bei ihr Minister und Schreiber und Mädchen für alles — und diktierte ihm folgenden Anschlag:

    Wo ist der Held, der den Regen besiegt?
    Gelingt ihm das, soll er Watteia heiraten
    und Wattelland regieren.
    Das gelobe ich feierlich.
    Wattemutter

    Des
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