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Diverses - Geschichten

Diverses - Geschichten

Titel: Diverses - Geschichten
Autoren: Sigrid Lenz
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eine kleine. Andere hatten das auch geschafft. Es kam nur auf die Willensstärke an. Schluss mit den komplizierten Diät-Versuchen, die sie sich aus Zeitschriften ausschnitt und sorgfältig zusammenheftete. Nur um dann Unsummen auszugeben für Hüttenkäse, Kräuter, das trockene Knäckebrot, für das geworben wurde. Sie schnitt, wusch, hobelte und arbeitete sich einen Wolf bei der Zubereitung komplizierter und angeblich gleichermaßen gesunder wie wohlschmeckender Mahlzeiten. Ausgewogen und dennoch kalorienarm sollten sie Wunder wirken, Hilde in eine elegant dahinschwebende Elfe verwandeln, die zudem auch völlig frei von Hungergefühlen glücklich durch den Tag tanzte.
    Natürlich funktionierte es nicht. Und natürlich waren die Selbstvorwürfe das Schlimmste, die sich unwiderruflich einstellten, wenn sie nach wenigen Tagen der Geschmacks- und gewürzfreien Gerichte überdrüssig, sich mit einem Schokoriegel in einer Ecke wiederfand.
    Vielleicht folgten die Depressionen ihrer Schwäche, vielleicht stellten sie sich aber auch schon aufgrund des ständigen Kampfes gegen den Appetit ein, der während jeder ihrer Diät-Anfälle den größten Teil von Hildes Energie fraß.
    Es kam also – und so hatte sie eindeutig und von ganzem Herzen beschlossen – darauf an, ihre Energie daraufhin zu fokussieren, nichts zu essen. Und damit meinte Hilde auch nichts. Ihre Freundinnen, ihre Familie waren allesamt vorgewarnt und hatten nach einigem Sträuben zugestimmt, sie nicht mit Einladungen und Versuchungen zu quälen. Hildes Tagespläne standen, ihre Routen, die große Bögen um Bäckereien, Konditoreien und andere Quellen der Versuchung schlugen und sie trotzdem zu ihren Zielen fühlten, waren festgelegt und Hilde verbrachte die letzten Tage des Winters damit, sich mental auf die bevorstehende Fastenkur vorzubereiten. Einen letzten nicht gerade bedauernden Gedanken schickte Hilde noch an die hohen Summen, die sie für Diäten ausgegeben hatte, die in fertigen Dosen oder Gläsern einher kamen und ihr beim Erwerb suggerierten, dass allein der Anblick die Kilos schwinden ließ. Natürlich halfen auch die darin enthaltenen Pülverchen nicht weiter, weder ob sie als Brei, als Suppe, Pudding oder Diätdrink verabreicht wurden. Hilde endete doch immer wieder mit dem obligatorischen Schokoladenriegel und der Schale Chips.
    Auch damit hatte es nun ein Ende. Hilde hatte genug gehört, gelesen und sich selbst zusammengereimt, um davon überzeugt zu sein, dass in der Nulldiät die Zukunft lag. Ihre Zukunft. Und welche Zeit wäre besser geeignet, als der Frühling, um mit einer Unternehmung wie dieser zu starten?
    Alles blühte, alles grünte und die ersten Sonnenstrahlen wärmten genug, um das leise Frösteln, das dem Verzicht auf Nahrung nur allzu oft folgte, zu übertünchen.
    Einziges Problem in Hildes ansonsten so durchdachten, notwendigen und sinnvollen Plan trat ihr in Gestalt von Stefan entgegen. Stefan, Hildes Freund seit zwei Jahren und der Einzige, der ihren Träumen vom Erreichen des Wunschgewichts aktiv entgegentrat.
    Unglücklicherweise konnte sie ihn nicht davon überzeugen, dass ihr persönliches Heil und Glück in einem schlanken Körper wohnte. Und insgeheim befürchtete Hilde von Zeit zu Zeit, dass es Stefans Absicht war, sie als die dralle, unauffällige Brünette zu behalten, die weit davon entfernt war, die Blicke anderer männlicher Wesen auf sich zu ziehen.
    Nicht dass Hilde vorhätte, Stefan zu hintergehen. Nichts läge ihr ferner. Und doch wünschte sie sich, wie ihrer Meinung nach jede Frau sich wünschte und wie es zur Natur von Evas Geschlecht gehörte, ein wenig die Verführerin sein zu dürfen, als die sie geboren war.
    Ohne Konsequenzen selbstverständlich, lediglich als Beweis dafür, dass sie noch nicht zum alten Eisen gehörte, dass sie jung genug war, um auf Männer zu wirken, sie zu verwirren und auf ihre Weise anzuziehen.
Dieses Gefühl vermisste Hilde seit geraumer Zeit, um ehrlich zu sein, bereits seit Jahren. Und sie vermisste es schmerzlich.
    Es stellte die Art von Selbstbestätigung dar, die Hilde ansonsten nirgendwo erhalten konnte, und die ihr auf eine merkwürdige, wirre und unlogische Weise mehr bedeutete, als jeden Erfolg, jedes Lob, das sie in ihrem Beruf erzielte.
    Himmel, sie war nicht alt. Sie war eine junge Frau. Und auch wenn sie sich an Stefan gebunden hatte, so bedeutete das noch nicht das Aus für jeden angedeuteten Flirt, für jedes noch so kleine Amüsement.
    Nur dass diese Flirts
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