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Dirty

Dirty

Titel: Dirty
Autoren: Megan Hart
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restlichen Kleister abzukratzen, nachdem wir Tapetenschichten der letzten zwanzig Jahre von meinen Esszimmerwänden gerissen hatten.
    „Ja, klar. Ich bringe es Ihnen am Montag zurück.“
    Gavin folgte mir in die Küche, wo ich eine Schachtel mit Schokokeksen auf den Tisch stellte. „Bring es mir zurück, wann immer du magst.“
    Er nahm sich einen Keks. „Brauchen Sie heute Abend bei den Tapeten noch Hilfe?“
    Wir sahen einander an, und ich blinzelte. Er sah erschrocken aus. Ich musste mich wegdrehen, um ihn mit meinem Lachen nicht zu beleidigen.
    „Ich bin ferti?“, gelang es mir, zu antworten. „Allerdings könnte ich Hilfe beim Spachteln einer Wand brauchen, wenn du magst.“
    „Klar, klar.“ Er klang erleichtert.
    Ich steckte eine Tiefkühlpizza in den Ofen. „Und wie geht es dir, Gav? Ich habe dich schon seit ein paar Tagen nicht mehr gesehen.“
    „Oh. Meine Mom … sie heiratet wieder.“
    Ich nickte und deckte den Tisch mit Tellern und Gläsern. Wie sprachen meist nicht sehr viel, Gavin und ich, was uns beiden nur recht war. Er half mir dabei, mein Haus zu renovieren, und ich entlohnte ihn mit Keksen und Pizza, mit Büchern und einfach mit einem Ort, wo er hingehen konnte, wenn seine Mutter nicht da war, was recht oft der Fall zu sein schien.
    Ich gab ein unverbindliches Murmeln von mir, während ich Milch in die Gläser füllte. Gavin nahm zwei Servietten aus dem Küchenschrank und wusch sich die Hände, bevor er sich setzte. Sein schwarzer Nagellack war abgesplittert.
    „Sie sagt, der Typ wäre der Richtige.“
    Nachdem ich geriebenen Käse und Knoblauchpulver auf den Tisch gestellt hatte, warf ich ihm einen Blick zu. „Das ist schön für sie.“
    „Ja.“ Er zuckte die Achseln.
    „Werdet ihr umziehen?“
    Seine dunklen Augen in dem bleichen Gesicht wurden groß. „Ich hoffe nicht?“
    „Das hoffe ich auch. Mein komplettes Esszimmer muss noch gestrichen werden.“ Ich lächelte ihn an, und nach kurzem Zögern lächelte er zurück.
    Man musste nicht Gedanken lesen können, um zu ahnen, dass ihn etwas quälte, und auch nicht gerade ein Genie sein, um zu wissen, was. Ich hätte mich nun als Mentorin aufspielen, ihm verständnisvolle Fragen stellen können. Aber wir hatten keine solche Beziehung, in der man sich gegenseitig das Herz ausschüttete. Er war der Nachbarsjunge, der mir beim Renovieren half. Ich weiß nicht, was ich für ihn verkörperte, aber mit Sicherheit nicht seine Therapeutin.
    Die Uhr am Ofen klingelte, und ich legte brutzelnde Pizzastücke auf die Teller. Er streute Knoblauchpulver darüber, ich geriebenen Käse. Beim Essen diskutierten wir über das Buch, das ich ihm geliehen hatte und über unsere Lieblings-Krimiserie im Fernsehen. Wir fragten uns, ob in der nächsten Folge der Name des Mörders verraten werden würde. Später räumten wir zusammen die Geschirrspülmaschine ein, und Gavin warf die Pizzareste weg. Als ich umgezogen aus dem ersten Stock wieder nach unten kam, hatte er bereits die Folie auf dem Boden ausgebreitet und eine Dose mit Voranstrichmittel geöffnet.
    Dann hörten wir Musik und malten einige Zeit vor uns hin, bis er nach Hause gehen musste. Zuvor durchstöberte er meine Bücherregale und suchte sich ein weiteres Buch aus.
    „Worum geht es hier?“ Er hob die ramponierte Ausgabe von Der kleine Prinz in die Höhe.
    „Um einen kleinen Prinzen aus dem All.“ Das war die leichte Antwort. Jeder, der diese Geschichte von Antoine de Saint-Exupéry gelesen hat, weiß, dass es um viel mehr geht.
    „Cool. Darf ich das auch mitnehmen?“
    Ich zögerte. Das Buch war ein Geschenk gewesen. Zugleich stand es aber auch seit Jahren im Regal und setzte Staub an, ohne dass ich es auch nur eines Blickes gewürdigt hatte. „Sicher.“
    Da grinste er mich zum ersten Mal an diesem Abend an. „Toll. Danke, Miss Kavanagh?“
    Nachdem er gegangen war, starrte ich einen Moment auf die leere Stelle in dem Regal, bevor ich anfing aufzuräumen.
    In dieser Nacht träumte ich von einem Raum voller Rosen und wachte keuchend mit weit aufgerissenen Augen auf. Zwar verscheuchte ich den Traum, indem ich das Licht anknipste, aber gegen die Dunkelheit meiner Gedanken konnte es nichts ausrichten. Ein paar Minuten blieb ich liegen, bevor ich mich geschlagen gab und nach dem Telefonhörer griff.
    „Haus der Lust.“
    Ich musste lächeln. „Hallo Luke.“
    Ich habe den Liebhaber meines Bruders nie kennengelernt. Die beiden leben in Kalifornien, eine ganze Welt entfernt von meinem
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