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Dieser Mensch war ich - -: Nachrufe auf das eigene Leben (German Edition)

Dieser Mensch war ich - -: Nachrufe auf das eigene Leben (German Edition)

Titel: Dieser Mensch war ich - -: Nachrufe auf das eigene Leben (German Edition)
Autoren: Christiane zu Salm
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Zum Meister hat es bei uns beiden nicht gereicht – dafür wurden wir zu Lebensmeistern, wie wir uns immer gesagt haben. Wir haben unendlich viel gemeistert – unsere Frauenbeziehungen, unsere Ehen, Kinder, die vielen unbezahlten Rechnungen, Probleme im Betrieb, alles, was halt so kommt in so ziemlich jedem Leben. Alles gemeinsam. Wir hatten einen Schrebergarten auf dem Land nebeneinander, wo wir jedes Wochenende waren, haben immer füreinander eingekauft und nie Ferien ohne einander gemacht. Auch nachdem wi r beide geheiratet haben . Die Frauen verstanden sich ebenfalls.
    Bis ich eines Tages eine unerwartete Erbschaft machte. Ein Onkel, der nach dem Zweiten Weltkrieg nach Argentinien ausgewandert war, vererbte mir und noch ein paar anderen entfernten Angehörigen sein Geld. Ich wusste gar nichts von ihm, bis dieser Brief ins Haus kam. Hätte ich nur gewusst, wie sehr diese Erbschaft mein ganzes glückliches kleines Leben erschüttern würde. Erst einmal haben Charlotte und ich uns natürlich riesig gefreut. Wir haben nach sechzehnjähriger Ehe unsere Hochzeitsreise nachgeholt, die wir uns nie hatten leisten können. Sind nach Sri Lanka geflogen, haben die Kinder mitgenommen und die ganze Welt gesehen. Haben in teuren Hotels gewohnt, sind Businessklasse geflogen. Dann haben wir ein Haus mit großem Garten gekauft und unseren Schrebergarten aufgegeben. Ich höre mich noch voller Stolz sagen: Klaus, dann müssen wir nicht mehr jedes Wochenende rausfahren, sondern ihr könnt jeden Tag kommen auf ein Bierchen.
    Unsere Freude über unser neues Leben war so groß, dass ich lange nicht bemerkt habe, wie er und seine Frau sich innerlich von uns entfernt hatten. Sie wurden wohl neidisch. Sie konnten nicht mithalten, dachten sie vermutlich. Sich nicht mitfreuen, denn trotz aller Gönnerhaftigkeit meinerseits war es eben nicht ihrs. Ich habe dann immer gesagt: Mensch, Kollege, ich würde deine Zurückhaltung ja verstehen, wenn ich die Kohle selber verdient hätte und du nicht. Aber diese Erbschaft– die hat nichts mit mir zu tun. Die hättest du doch genauso bekommen können.
    Auch dass ich Klaus dann den Schlüssel zum Haus gab, half nichts. Ich wollte ihn wirklich aus tiefem Herzen teilhaben lassen an unserem neuen Leben und ihm das dadurch beweisen. Was meins ist, ist auch deins, wie man so schön sagt.
    Tja, und mit Bitterkeit mussten Charlotte und ich dann feststellen, wie viel Wahrheit in diesem Sprichwort liegen kann. Denn als wir nach einem Urlaub nach Hause kamen, war das ganze Haus leer geräumt. Keine Spuren von Einbruch. Die Versicherung hat natürlich nicht gezahlt. Es muss jemand ganz normalen Zugang zum Haus gehabt haben, zum Beispiel einen Schlüssel, hieß es.
    Wo unsere Sachen hingekommen sind, weiß ich bis heute nicht. Die Sache ist jetzt fünfeinhalb Jahre her. Klaus und seine Ursula leugnen bis heute, dass sie es gewesen sein sollen. Auch sonst gibt es keine Beweise. Allein schon unsere Frage, ob sie etwas damit zu tun haben, hat die Freundschaft dann durch Misstrauen ersetzt.
    Meine Erkenntnis ist also: Geld kann alles kaputt machen. Nach dieser Geschichte hatten wir keinen Spaß mehr an unserem großen Haus mit Garten. Oft habe ich mich gefragt, ob ich die Erbschaft hätte ausschlagen sollen. Aber wer macht das schon? Nie hätte ich gedacht, dass ich so einen hohen Preis dafür zahlen muss. Für das, was Charlotte und ich, auch die Kinder als so was wie einen Sechser im Lotto eingeschätzt hatten. Ich bin darüber bitter geworden und sehr traurig, zutiefst verletzt. Ohne meine Familie wär ich’s noch viel mehr. Da hilft es auch nicht, wenn die Psychotherapeuten sagen, dass das nichts mit mir zu tun hätte, nur mit Klaus selber.
    Vielleicht liest du, Klaus, das ja irgendwann. Warum haben wir uns das angetan? Es waren doch so verdammt gute Zeiten, im Schrebergarten, mit Bierchen. Oder stellst du mir dieselbe Frage umgekehrt? Wie gerne würde ich die Zeit dahin zurückdrehen und dir wieder deinen Gartenzaun reparieren. Dass ich dann jetzt bald tatsächlich tot bin, wie die Ärzte sagen– gibt dir das dann Frieden? So nach dem Motto: Er hatte Geld, aber kein langes Leben?
    Rüdiger Feldens, 57 Jahre, Gehirntumor
    verstorben im Februar 201*

Wie dann von einem auf den nächsten Tag alles vorbei sein kann
    Ich empfinde große Bitterkeit, aber nicht über mein Leben, sondern über mein frühes Ende. Noch letzten Sommer machten wir mit der Familie unsere traditionelle Segeltour in Griechenland, und es war
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