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Die Zusammenkunft

Die Zusammenkunft

Titel: Die Zusammenkunft
Autoren: Lee Bauers
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getrennt hatte, hatte sie begonnen, sich beruflich weiterzubilden. Sie fing bei einer kleinen regionalen Fluggesellschaft an und mauserte sich innerhalb von zehn Jahren zur Finanzmanagerin. Das schöne Haus mit dem großen Garten, in dem ihre kleine Familie nun wohnte, hatte sie buchstäblich über das Handy gebaut, während sie durch das Land flog und Geld verdiente. Geld für ihre Tochter und für ihre Mutter. Sie selbst brauchte nicht viel. Das, was sie vermisste, konnte man ohnehin nicht kaufen. Es war, als gäbe es ein Loch in ihrer Brust, von dem sie nicht wusste, wie sie es je füllen könnte.
    Die Leere in ihrem Leben vertrieb sie sich seit vielen Jahren mit Chatten und Ausschauhalten nach dem männlichen Geschlecht, nur um immer wieder festzustellen, dass sie offensichtlich nicht vermittelbar war und es auch bleiben würde.
    Ein Außenstehender hätte möglicherweise glauben können, dass ein Kindheitstrauma daran schuld sein müs ste, dass es einfach keinen Mann gab, dem sie auch nur die geringsten Chancen einräumte. Früher, da hatte sie sich ab und zu mal einen mitgenommen, aber heute hatte sie selbst an der schnellen Befriedigung kein Interesse mehr. Sie waren alle gleich. Aber an ein traumatisches Erlebnis konnte sie sich einfach nicht erinnern. Sie war so, wie sie war, stark und unabhängig in ihrem Willen und nicht bereit, Schwäche zu zeigen. Sie war nicht bereit sich fallen zu lassen. Ein Mann, der es wirklich wert gewesen wäre, dass sie sich ihm hingab, war ihr einfach noch nie begegnet. Männer wurden bei ihr rasch zu Opfern, Opfer amüsierten sie eine Zeit lang, dann stießen sie sie ab.
    Der Einzige, der sich immer wieder unerschütterlich an sie heranpirschte, war Robert. Mit seinen vielen Locken und der runden Nickelbrille erinnerte er sie an jemanden, den sie kannte, aber egal, wie lange sie auch darüber nachdachte, immer erschien vor ihrem inneren Auge nur das Bild eine s kleinen Hofnarren, wie sie ihn vielleicht auf dem rauschenden Fest eines ihr unbekannten Königs hätte sehen können. »König? Sirona! Deine Fantasie ist wirklich unerschöpflich. Welches Fest? Welcher König? Du lebst im 21. Jahrhundert!«, schalt sie sich dann. Roberts Ausdauer beeindruckte sie allerdings; was er sich nicht alles ausdachte, um in ihrer Nähe zu sein! Keine Zurückweisung war stark genug, um ihn zu verjagen. Mein Gott, was für eine Liebe! Vielleicht war er aber auch einfach nur ein kleiner Masochist. Auf jeden Fall würde er mit ihr am Wochenende in der Semper Oper sitzen.
    Die Woche verging wie im Flug. Jetzt war es schon Freitagabend, und Sirona hatte ihren Kaffee mit nach draußen genommen. Sie lag ausgestreckt auf der Wiese im Garten und versuchte, die letzten Sonnenstrahlen ei nzufangen.
    Früher, als Kim noch kleiner gewesen war, spielten um diese Zeit Kinder um sie herum, aber inzwischen war es ruhig geworden. Ihre Mutter saß auf ihrer eigenen Terra sse und las ein Buch, und Sirona schloss die Augen und träumte vor sich hin. Wie sie wohl die hintere Ecke des Gartens am besten gestalten könnte? Die Ecke, in der sie jedes Jahr den Pool aufstellte.
    Ach was, viel wichtiger war doch, was sie morgen Abend anziehen könnte. Eigentlich würde sie gern wieder einmal sexy aussehen, aber das konnte sie Robert nicht antun; oder doch? Das Attraktivste an ihr war ihr Busen, das wusste sie, und der hatte in den letzten Jahren nichts von seiner Anziehungskraft verloren. Vielleicht würde sie sich so kleiden, dass sie mit Hilfe ihrer weiblichen Reize morgen jemanden zum Spielen fand? Sie schmunzelte. Es wurde kühl. Sie stand auf und holte sich eine Decke. Draußen konnte sie immer noch am besten schlafen, sie war so müde. Sie legte sich wieder hin, kuschelte sich in die Decke ein, und glitt unbemerkt in einen Traum.

W ieder diese Schmerzen in der Brust und in ihrer Hüfte, etwas Feuchtes klebte in ihrem Gesicht. Es roch süßlich und sie fühlte sich leicht, sie tanzte trotz der vorangegangenen Schmerzen über eine Wiese zu einem Bach und lachte, fühlte sich erotisiert und stark.
    Zwei Augen bewegten sich auf sie zu, lagen plötzlich über ihr, tiefe dunkle, blaue Augen, in ihnen flackerte ungebändigter Zorn und sie verwandelten sein Gesicht zu einer Fratze der Wut. Dann glitt Entsetzen über den Zorn, wie Sternenlicht über eine nachtdunkle Lichtung, und tiefe Trauer füllte plötzlich diese Augen – und dann schienen sie zu brüllen.
    Sie beobachtete den Wandel in diesem Blick voller Faszination,
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