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Die Zufalle des Herzens

Die Zufalle des Herzens

Titel: Die Zufalle des Herzens
Autoren: Fay Juliette
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unreif sein, doch dumm war sie nicht. Sie konnte unmöglich so weit von dem abirren, was Dana ihr bisher zu vermitteln versucht hatte. Die Liste würde vielleicht mehrere getippte Seiten füllen, im Wesentlichen lief es aber darauf hinaus … Selbstwertgefühl zu haben … das Wissen, dass man geliebt wurde und sich nach Kräften bemühen sollte, sein Leben auszukosten. Darin bestand letztlich doch der Sinn und Zweck des Mutterseins: dafür zu sorgen, dass es den eigenen Sprösslingen gut ging.
    Dana prüfte ihre Wimperntusche und ertappte sich zum hunderttausendsten Mal seit ihrer eigenen Pubertät bei dem Gedanken, dass ihre Augen, wenn sie statt dieses unbestimmten Haselnussbrauns eine richtige Farbe hätten – ein klares Braun oder Grün oder Blau –, von dem ablenken würden, was bei ihr nicht stimmte. Obwohl da eigentlich gar nichts war. Sie hatte eine gerade Nase, eine reine Haut. Und doch fiel es ihr schwer, über die Farblosigkeit ihrer Augen, die Fadheit der Haare oder ihre nun mal dem Teenageralter entwachsene Figur hinwegzusehen.
    In der Hinsicht hatte sie immer so ein vages, irrationales Gefühl des Wartens verspürt: Wenn sie nur geduldig war, würde sie eines Tages aufwachen und alles, was an ihr nicht perfekt war, wäre ersetzt – durch die richtigen Farben oder feinere Proportionen. Manchmal musste Dana sich selbst daran erinnern, dass sie nicht eines schönen Tages auf wundersame Weise eine ganz andere Figur haben würde … Sie musste mit dem vorliebnehmen, was sie hatte.
    Als die letzten Gäste gegangen waren, half Dana Polly beim Aufräumen. »Endlich hat Denise dieses schreckliche Kindermädchen rausgeworfen«, berichtete Polly, während sie feuchte Cocktailservietten und klebrige Dessertteller einsammelte. »Keine Ahnung, warum das so lange gedauert hat.«
    »Es ist nicht einfach, Leute rauszuwerfen. Wenn ich das tun musste, war ich jedes Mal kurz vorm Nervenzusammenbruch.«
    »Lass mich mal raten: Es ging meistens um eine Sekretärin, die … sagen wir, sich aus der Portokasse bedient hatte, stimmt’s?«, feixte Polly. »So nett, wie du bist, muss es etwas so Schlimmes oder gar noch Schlimmeres gewesen sein!«
    »So nett bin ich gar nicht«, verteidigte sich Dana, wissend, dass Polly das Wort normalerweise im Sinne von ›nett, aber langweilig‹ oder ›nett, aber schwächlich‹ oder ›nett, aber dämlich‹ verwendete.
    »Stimmt. Kannst du bitte diese Mülltüte in die Garage bringen. Gib acht, ich glaube, sie tropft.«
    Dana streckte die Hand nach der Mülltüte aus. Polly lachte und ließ die Tüte wieder in den Eimer fallen. »Verstehst du, was ich meine?«
    Vielleicht hatte Polly ja recht. Vielleicht sollte Dana in dem Fall sagen, Bring deinen Müll doch selbst raus . Aber sie hatte Polly gern, und sie spürte, dass Polly sie ebenfalls gernhatte. Und was war zwischen Freundinnen schon ein bisschen Müll?
    Als sie mit dem Aufräumen fertig waren, reckte Polly sich, um sie zu umarmen. Pollys Umarmungen waren fest und bedeutungsvoll und wirkten auf Dana so, als sollte sie in Pollys Stamm aufgenommen werden, ein Ritual der Zugehörigkeit, das zugleich tröstlich und in seiner Endgültigkeit ein wenig beängstigend war.
    »Danke, dass du noch geblieben bist«, sagte Polly. »So muss es wohl sein, eine Schwester zu haben.« Dann lachte sie und ließ die Arme wieder sinken. »Na ja, vielleicht nicht deine Schwester …, aber eine, wie ich sie immer gerne gehabt hätte.« So war Polly. In einem Wimpernschlag konnte sie von wirsch zu superlieb umschalten. Dana ließ sich von der Freundlichkeit dieser Äußerung erfüllen und für den flotten Gang nach Hause wärmen.

- 5 -
    L ange vor ihrer Scheidung hatte Dana bereits gelernt, allein zu schlafen. Kenneth war oft auf Geschäftsreise gewesen, und zu Beginn ihrer Ehe hatte sie sich Sorgen gemacht, dass ihm irgendetwas zustoßen könnte. Während seiner gelegentlichen Auslandsreisen hatte sie kein Auge zugemacht und sich stattdessen vorgestellt, wie sein Flugzeug ins Meer stürzte und sein zerschmetterter Körper mit dem Gesicht nach unten in den dunkler werdenden Wellen trieb. In solchen Zeiten waren auch die Albträume im Zusammenhang mit ihrem Vater schlimmer. Doch Kenneth kam jedes Mal zurück, und allmählich lernte Dana, sich zu entspannen.
    Fast punktgenau konnte sie bestimmen, wann die Affäre begonnen hatte – vor zwei Jahren waren die Geschäftsreisen länger geworden. Davor hatte er viel mehr Wind darum gemacht, wie gut es war,
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