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Die zerbrochene Krone

Die zerbrochene Krone

Titel: Die zerbrochene Krone
Autoren: Robert Jordan
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Schwestern besaßen die wahre Kraft, Erde zu verweben, aber es war nicht so viel Kraft erforderlich, um Steine zu verstärken oder Stein mit Stein zu verbinden. Ja... Der Palast war vor ihrem geistigen Auge bereits vollendet, Kolonnadengänge und große Kuppeln schimmerten weiß und golden, und diese eine Spitze, die bis in den Himmel reichte... Sie hob den Blick zum wolkenlosen Himmel, zu der Stelle, wo die Spitze aufragen würde, und sie seufzte tief. Ja. Die entsprechenden Befehle würden heute ausgegeben werden.
    Die hohe Kastenuhr im Raum hinter ihr schlug, und auch in der Stadt läuteten Gongs und Glocken die Stunde, was hier - so hoch oben - nur schwach zu hören war. Elaida trat lächelnd vom Fenster fort, glättete ihr cremefarbenes Seidenkleid mit den roten Schlitzen und richtete die breite, gestreifte Stola des Amyrlin-Sitzes um ihre Schultern.
    An der mit reichen Goldverzierungen versehenen Uhr bewegten sich mit dem Geläut kleine Gold-, Silber und Emaillefiguren. Gehörnte, rüsselbewehrte Trollocs flohen auf einer Ebene vor einer mit einem Umhang bekleideten Aes Sedai. Auf einer anderen Ebene versuchte ein Mann, der einen falschen Drachen darstellte, silberne Lichtblitze abzuwehren, die von einer zweiten Schwester geschleudert wurden. Über dem Zifferblatt, das sich über Elaidas Kopf befand, knieten ein gekrönter König und eine Königin vor der Amyrlin mit ihrer Emaillestola, und die Flamme von Tar Valon, aus einem großen Mondstein gehauen, ruhte auf einem goldenen Bogen über ihrem Kopf.
    Elaida war nicht oft fröhlich, aber beim Anblick der Uhr konnte sie ein leises, erfreutes Lachen nicht unterdrücken. Cemaile Sorenthaine, von den Grauen erhoben, hatte sie in Auftrag gegeben, nachdem sie von einer Wiederkehr zu der Zeit vor den Trolloc-Kriegen geträumt hatte, als kein Regent einen Thron ohne Billigung der Burg innehaben konnte. Aus Cemailes großartigen Plänen wurde jedoch nichts, und die Uhr stand drei Jahrhunderte lang in einem staubigen Lagerraum - eine Verlegenheit, die niemand herzuzeigen wagte. Bis Elaida kam. Das Rad der Zeit drehte sich. Was einmal war, konnte wieder sein. Würde wieder sein.
    Die Kastenuhr beherrschte den Eingang zu ihrem Wohnzimmer und den dahinterliegenden Schlaf- und Ankleideräumen. Edle Wandteppiche, gold- und silberdurchwirkte, farbenprächtige Arbeiten aus Tear und Kandor und Arad Doman, hingen jeweils genau gegenüber ihrem Pendant. Elaida war schon immer für Ordnung gewesen. Der rotgrüngold gemusterte Teppich, der den größten Teil der Fliesen bedeckte, kam aus Tarabon. In jeder Ecke des Raumes stand eine mit schlichten senkrechten Ornamenten verzierte Marmorsäule mit einer weißen Vase aus zerbrechlichem MeervolkPorzellan mit zwei Dutzend sorgfältig arrangierten roten Rosen darauf. Die Eine Macht war erforderlich, um jetzt Rosen erblühen zu lassen, besonders bei der Dürre und Hitze - ihrer Meinung nach eine sinnlose Gewohnheit. Vergoldete Schnitzereien in starrem cairhienischen Stil verzierten sowohl den einzigen Stuhl - niemand saß in ihrer Gegenwart - als auch den Schreibtisch. Ein einfacher Raum mit einer kaum zwei Spann hohen Decke, und doch würde er genügen, bis ihr Palast fertiggestellt war. Mit dieser Aussicht würde er genügen.
    Die hohe Rückenlehne mit der aus ausgesuchten Mondsteinen gestalteten Flamme von Tar Valon ragte über ihrem dunkelhaarigen Kopf auf, als sie sich hinsetzte. Nichts verunstaltete die polierte Tischplatte außer drei zufällig angeordneten Schachteln, eine altaranische Lackarbeit. Sie öffnete die Schachtel mit dem Bild goldener Jagdfalken zwischen weißen Wolken und nahm einen schmalen Streifen dünnen Papiers auf einem Stapel Berichten und Briefen heraus.
    Zum vielleicht hundertsten Mal las sie die Nachricht, die vor zwölf Tagen durch eine Brieftaube aus Cairhien überbracht worden war. Nur wenige in der Burg wußten davon. Niemand außer ihr kannte den Inhalt der Nachricht oder hätte auch nur eine Ahnung, was sie bedeutete, wenn sie sie gekannt hätten. Der Gedanke ließ sie beinahe erneut lachen.
    Der Ring wurde dem Bullen durch die Nase gezogen.
    Ich erwarte eine erfreuliche Reise zum Markt.
    Es stand keine Unterschrift darunter, aber das war auch nicht nötig. Nur Galina Casban konnte diese herrliche Nachricht geschickt haben. Galina, der Elaida zutraute, was sie sonst nur sich selbst zugetraut hätte. Nicht daß sie irgend jemandem vollkommen vertraut hätte, aber der Anführerin der Roten Ajah vertraute
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