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Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)

Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)

Titel: Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)
Autoren: Sarah Lark
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Jensch hielt sich nur mühsam über Wasser. Karls Vater, seine Mutter und von jetzt an auch er selbst arbeiteten den ganzen Tag auf den Feldern des Junkers oder nahmen andere Arbeiten an. Der Lohn dafür war ein Pfennig pro Stunde für die Männer – oft zahlten die Arbeitgeber dieses Geld nicht einmal aus, sondern vergüteten den Tagelöhner in Naturalien. Auch heute würde Karl kaum Geld sehen, wenn er zehn Stunden lang die letzten Kartoffeln ausgegraben hatte. Wahrscheinlich schickte ihn der Besitzer des Feldes, der ihn für diesen Tag angeheuert hatte, lediglich mit einem Sack voller Erdäpfel nach Hause …
    Karl hegte trübe Gedanken, als er sich nun auf dem Feld eines Häuslers an die Arbeit machte. Peter Brandmann ließ seine Arbeit als Zimmermann wohl keine Zeit dazu, es selbst abzuernten, und seine Söhne Ottfried und Erich hatten es in den Kartoffelferien offenbar nicht geschafft. Eigentlich kaum möglich, zu den Häuslerstellen gehörte lediglich ein einziger Morgen Land, und den teilte sich der Kartoffelacker mit dem Gemüsegarten, den Brandmanns resolute Frau größtenteils selbst bearbeitete. Karl würde für die Ernte kaum länger als einen oder zwei Tage brauchen. Aber Erich war noch klein, und Ottfried war auch in der Schule nicht der Eifrigste. Wahrscheinlich hatten sie sich einfach nicht sonderlich angestrengt.
    Karl schwang dafür umso rascher die Hacke, konnte er sich damit doch wenigstens ein bisschen von der in ihm kochenden Wut befreien. Er empfand lodernden Zorn, seit sein Vater ihm am Tag zuvor befohlen hatte, die Schule zu verlassen. Dabei hatte er gar nichts dagegen, zu arbeiten. Er wusste nur zu gut, wie dringend die Familie das Geld brauchte. Die wenigen morgendlichen Schulstunden müssten ihn allerdings nicht vom Arbeiten abhalten. Das hätte er am Nachmittag und Abend nachholen können, irgendetwas fände sich bestimmt! Auch im kommenden Winter! Trotzig schmetterte er die freigelegten Kartoffeln in seinen Korb.
    Erst nach einer halben Stunde wurde Karl ruhiger. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn und biss sich auf die Lippen. Nein, er hatte kein Recht, seinem Vater zu zürnen. Wenn er ehrlich sein sollte, musste er ihm stattdessen Recht geben: In der kalten Jahreszeit war es schon schwierig genug, in den Tagesstunden Beschäftigung zu finden. Wenn die Sonne sank, legte man auf den Bauernhöfen oder in den Handwerksbetrieben die Arbeit nieder. Und in Letzteren gab es sowieso kaum etwas für Tagelöhner zu tun. In den Werkstätten arbeiteten die Häusler allein oder mit einem Gesellen, und nach der Schule halfen die eigenen Kinder, die dann später auch das Handwerk erlernten. Er selbst dagegen würde nie etwas lernen …
    Entmutigt schlug Karl erneut die Hacke in die schwarze Erde und fuhr mit seiner Arbeit fort. Die einzige Hoffnung wäre das Priesterseminar gewesen, von dem Lehrer Brakel einmal gesprochen hatte. Aber das hatte sich ja nun auch erledigt. Karl kämpfte dagegen an, konnte jedoch nicht verhindern, dass sich seine Augen mit Tränen füllten. Entschlossen rieb er sie fort. Ein Junge weinte nicht. Und ein guter Christ nahm sein Schicksal in Demut an …
    Inzwischen stand die Sonne hoch am Himmel. Die ersten Kinder liefen auf dem Heimweg von der Schule an Brandmanns Feld vorbei – Bauernkinder hauptsächlich, die Höfe lagen zwischen dem Dorf und dem Schloss des Junkers. Die Häuser, Werkstätten und kleinen Ländereien der Handwerker gruppierten sich eher rund um den Dorfkern mit Kirche und Schule. Jakob Langes Schmiede befand sich allerdings am äußersten Ende des Dorfes. Karl ertappte sich dabei, wie er nach Ida Ausschau hielt. Wenn sie keinen Umweg machte, weil noch Besorgungen zu erledigen waren, musste ihr Heimweg sie an Brandmanns Feld vorbeiführen.
    Kurz darauf erspähte Karl denn auch ihre Geschwister – Elsbeth, die fröhlich hüpfte, und Anton, der ihr eher missmutig folgte. Auch ihm stand zweifellos ein Nachmittag auf dem Feld bevor oder bestenfalls Arbeit in der Schmiede. Lange hielt nichts von Müßiggang, seine Kinder schufteten kaum weniger als die der Tagelöhner. Aber sie hatten wenigstens eine Zukunft …
    Enttäuscht über Idas Ausbleiben wandte Karl den Blick vom Weg ab. Er begann, wieder die Hacke zu schwingen – und erschrak, als jemand seinen Namen rief. Jemand mit einer hellen, sanften Stimme.
    »Ida!« Karl fuhr herum und hätte fast gelächelt. Dann besann er sich auf den nichtssagenden, eher mürrischen Gesichtsausdruck, den man
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