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Die Zeit: auf Gegenkurs

Die Zeit: auf Gegenkurs

Titel: Die Zeit: auf Gegenkurs
Autoren: Philip K. Dick
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sind sie unserer Meinung, und es gefällt ihnen.« Gore tippte auf eine verschlossene grüne Metallkassette am anderen Ende des Schreibtisches. »Sie werden verstehen, wenn Sie das hier gelesen haben – all die Verbrechen, die er bei seinen Revolverhelden duldet, bei diesen Jüngern der Macht.« Er schob die Kassette zu Tinbane hinüber. »Und anschließend werden Sie in die Stadtbibliothek gehen und in der Abteilung
    A und B weitere Nachforschungen anstellen.«
    Tinbane nahm die verschlossene Kassette entgegen und sagte: »Geben Sie mir den Schlüssel, und ich werde die Akte lesen – in meiner Freizeit.«
    Gore zog den Schlüssel heraus. »Noch etwas, Tinbane. Lassen Sie sich nicht von dem klischeehaften Bild täuschen, das die Zeitungen von Ray Roberts gezeichnet haben. Es ist eine Menge über ihn geschrieben worden, aber das meiste davon ist erfunden, und was wirklich stimmt, können Sie nirgendwo nachlesen … nur hier, in dieser Akte, und wenn Sie sie studiert haben, werden Sie verstehen, worauf ich hinaus will. Ich meine speziell die Gewalttätigkeit.« Er beugte sich vor. »Hören Sie; ich lasse Ihnen die Wahl. Wenn Sie das Material über Roberts gelesen haben, kommen Sie wieder in mein Büro; Sie können mir dann Ihre Entscheidung mitteilen. Offen gestanden, ich glaube, daß Sie den Auftrag übernehmen; offiziell handelt es sich um eine Beförderung, eine Stufe höher in Ihrer Laufbahn.«
    Tinbane stand auf und griff nach dem Schlüssel und der verschlossenen Kassette. Da bin ich anderer Ansicht, dachte er. Aber er sagte: »Okay, Mr. Gore. Wieviel Zeit habe ich?«
    »Rufen Sie mich um fünf an«, erwiderte Gore. Und er lächelte noch immer sein säuerliches, wissendes Lächeln.

    In der Abteilung B der Stadtbibliothek stand Joe Tinbane argwöhnisch vor dem Schreibtisch der Chefbibliothekarin; die Bibliothek hatte etwas Einschüchterndes an sich – und er wußte nicht, was es war, oder woran es lag.
    Mehrere Personen waren vor ihm; ungeduldig wartete er, blickte sich immer wieder um und zerbrach sich, wie üblich, den Kopf über seine Ehe mit Bethel, über seine Karriere bei der Polizei und den Sinn und Zweck seines Lebens, sofern es überhaupt einen Zweck erfüllte, und er fragte sich, was die Altgeborenen empfanden, während sie in ihren Gräbern lagen, und wie es wohl sein mochte, wenn man sich zurückentwickelte und in den Mutterschoß zurückkehrte, ein Schicksal, das auch ihn erwartete.
    Während er grübelte, tauchte eine Bekannte an seiner Seite auf; klein, in einem langen Stoffmantel, das lange, dunkelbraune Haar zerzaust; ein hübsches, aber verheiratetes Mädchen, Lotta Hermes.
    »Auf Wiedersehen«, sagte er, froh sie zu treffen.
    Mit blassem Gesicht flüsterte Lotta: »Ich … ich halte es hier nicht aus. Aber ich muß für Seb ein paar Informationen heraussuchen.« Ihr Unbehagen war offensichtlich; sie stand so steif und starr da, daß ihre Figur davon in Mitleidenschaft gezogen wurde; ihre Furcht machte sie unförmig.
    »Immer mit der Ruhe«, sagte er, erstaunt über ihre Besorgnis; er wollte ihr helfen und nahm sie beim Arm, zog sie vom Schreibtisch der Chefbibliothekarin fort und führte sie aus dem riesigen, dumpf hallenden Saal in den relativ ruhigen Korridor.
    »O Gott«, flüsterte sie bekümmert. »Ich kann es einfach nicht, ich kann nicht zu dieser Frau gehen, dieser schrecklichen Mrs. McGuire. Seb hat gesagt, ich soll jemand anderen verlangen, aber ich kenne niemanden. Und wenn ich Angst habe, kann ich nicht denken.« Unglücklich, hilfesuchend blickte sie zu ihm auf.
    »Dieser Ort macht vielen Leuten zu schaffen«, tröstete Tinbane. Er legte den Arm um ihre Hüfte und führte sie durch den Korridor zum Ausgang.
    »Ich kann nicht gehen«, rief sie verzweifelt und machte sich los. »Ich muß für Seb etwas über den Anarchen Peak herausfinden.«
    »Ach?« sagte Tinbane. Er fragte sich nach dem Grund. Rechnete Sebastian damit, daß der Anarch in nächster Zeit altgeboren wurde?
    Das warf ein ganz anderes Licht auf Ray Roberts’ Pilgerfahrt; sogar ein völlig neues Licht: es erklärte, warum sie jetzt stattfand und warum Los Angeles das Ziel war.
    »Douglas Appleford«, entschied Tinbane. Er kannte ihn; ein steifer, förmlicher, aber bemerkenswert hilfsbereiter Mann; zweifellos war er weitaus umgänglicher als diese Mavis McGuire. »Ich bringe Sie zu seinem Büro«, versprach er dem verängstigten Mädchen, »und mache Sie mit ihm bekannt. Übrigens muß ich auch einige Nachforschungen
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