Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Zauberlehrlinge

Die Zauberlehrlinge

Titel: Die Zauberlehrlinge
Autoren: Robert Goddard
Vom Netzwerk:
erinnern würde, wusste er selbst nicht.
    Es war fast fünfzehn Uhr, als er das Krankenhaus erreichte. Diesmal war das Schwesternzimmer im dritten Stock besetzt, doch glücklicherweise von keiner der Schwestern, die ihn gestern gesehen hatten.
    »Kann ich David Venning besuchen?«
    »Nun ja, er hat bereits Besuch.«
    »Seine Mutter?«
    » Ja. «
    »Keine Sorge. Wir kennen uns.«
    Er ging den Korridor entlang. Die Tür von Zimmer E318 stand halb offen, Sonnenstrahlen fielen über die Schwelle. Er blieb kurz davor stehen, als er eine Stimme hörte: Iris Venning. Sie las laut vor.
    »Als Reaktion auf so unbequeme Daten haben die Kosmologen anscheinend Schweigen vereinbart. Wie kann das Universum bis zu sechzehn Milliarden Jahre alte Sterne enthalten, wenn das Hubble-Teleskop das Alter des gesamten Universums mit nur acht Milliarden Jahren angibt? Die Antwort darauf ist nicht einfach. Doch Wissenschaftlern steht es nicht an, schwierigen Fragen auszuweichen.«
    Ihre Stimme hatte sich nicht verändert. Während er sie hörte, konnte er sich fast vorstellen, sie beim Eintreten so zu sehen, wie er sie zuletzt gesehen hatte: mit rotem Haar, hellen Augen und üppiger Figur, die sinnlichen Lippen zu einem einladenden Lächeln oder einem vielsagenden Kichern verzogen. Doch das Foto hatte ihn darauf vorbereitet, was er wirklich sehen würde: eine Dame mittleren Alters mit graumeliertem, vernünftig kurz geschnittenem Haar, einem vorsichtigen Ausdruck auf dem faltigen Gesicht, leblosen und schüchternen Augen, einem Lächeln, das... Aber sie würde nicht lächeln, nicht wahr? Es gab nichts zu lächeln.
    »Möglicherweise wird die Quadratur dieses Kreises die Zukunft der Astrophysik bestimmen. Vielleicht wird man den Urknall einmal als Urirrtum betrachten. Womöglich ergibt sich plötzlich eine Rolle für die oft verspottete kosmologische Konstante. Für viele allerdings wird das verdächtig nach einer letzten Zuflucht aussehen. Was wirklich erforderlich wäre...«
    Sie verstummte in dem Moment, in dem er auf der Schwelle erschien. Über fast vier Meter und einen Abgrund von Jahren hinweg sahen sie sich an. In ihren Blicken kämpfte Wiedererkennen mit Unglauben. Überrascht öffnete sich ihr Mund. Langsam nahm sie ihre Brille ab, legte die Zeitschrift nieder, aus der sie vorgelesen hatte, und starrte ihn an. Anscheinend konnte sie nicht fassen, dass er es wirklich war. Hatte er sich so verändert? Oder hatte sie gedacht, er würde ihre Nachricht ignorieren?
    »Entschuldigung«, sagte Sie. »Wer...« Sie runzelte die Stirn, stand von ihrem Stuhl auf und ging um das Bett herum, um ihn besser sehen zu können. »Kenne ich Sie?«
    »Ich bin's«, antwortete er und wünschte sich im gleichen Moment, er hätte sich etwas weniger dümmlich vorgestellt.
    »Harry?« Ihre Augen verengten sich. Sie kam noch einen Schritt näher. »Das kann nicht sein!«
    Er zuckte mit den Schultern und lächelte entschuldigend. »Vermutlich sieht man so aus, wenn man sich gehen lässt.«
    Sie sagte nichts und blinzelte rasch, während sie ihn anstarrte, griff hinter sich und umklammerte das Bettgestell, als müsse sie sich stützen.
    »Wie geht es dir, Iris?«
    »Was... Was machst du hier?«
    »Ich habe deine Nachricht bekommen.«
    »Was für eine Nachricht?«
    »Über David. Über... unseren Sohn.«
    Alle Farbe wich aus ihrem Gesicht. Der Ring an ihrem Finger begann auf dem hohlen Metall des Bettgestells zu klappern. Sie zitterte, als trete auf einmal Angst an die Stelle des Schocks.
    »Ich war gestern hier. Sie wollten mir nicht viel sagen.«
    »Du warst das ?«
    »Ja. Sie haben meinen Besuch doch erwähnt, oder? Sicher hast du erraten, dass ich es war.«
    »Erraten, dass du es warst? Natürlich nicht! Ich hätte niemals...«
    »Warum setzen wir uns nicht?«
    Zögernd betrat er den Raum. Iris sprang plötzlich an ihm vorbei und schlug die Tür hinter ihm zu. Aus der Nähe konnte er hören, wie kurzatmig sie war, und spüren, in welchem Aufruhr sie sich befand. Aber er konnte es nicht begreifen. Ihre Reaktion ergab keinen Sinn. »Damit ich das richtig verstehe«, sagte sie langsam. »Du behauptest, du hättest irgendeine Nachricht bekommen... über David?«
    »Du hast gestern in der Tankstelle angerufen, wo ich arbeite, kurz bevor ich kam.«
    »Und was habe ich gesagt?«
    »Dass mein... Sohn... hier ist.«
    »Dein Sohn?«
    »David.«
    »Er ist nicht dein Sohn.« Doch etwas in ihrem flackernden Blick zum Bett war so falsch wie ausweichend.
    »Komm schon, Iris.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher