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Die Wolfsjägerin: Roman (German Edition)

Die Wolfsjägerin: Roman (German Edition)

Titel: Die Wolfsjägerin: Roman (German Edition)
Autoren: Sarwat Chadda
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Große Rote ihr eigenes Mordwerk vollendet. Eine Frau in einem blutüberströmten Morgenmantel lehnte an der rauen Ziegelmauer. In ihren Augen lag nur noch ein Hauch von Leben. Die Große Rote schien sie hochzuhalten: Ihre rechte Vorderpfote war gegen ihre Brust gepresst. Dann zog sie langsam die Krallen heraus, und jede einzelne löste sich mit einem feuchten, klebrigen Schmatzen aus ihrem Körper. Die Frau glitt sanft die Wand hinab.
    Billi erstarrte. Plötzlich wirkte ihr Schwert im Vergleich zu diesen triefenden Klauen lächerlich klein. Das hier waren geborene Mörder, die über Tausende von Generationen hinweg darauf hingezüchtet worden waren. Jedes Kilo Muskeln, jeder Zentimeter Knochen war aufs Abschlachten ausgerichtet.
    »Mama!« Der Schrei zog die Aufmerksamkeit aller auf sich. Am oberen Ende der Holztreppe kniete ein blondes Mädchen, vielleicht acht oder neun Jahre alt, in einem mit Ponys bedruckten Schlafanzug. Sie starrte mit leichenblassem Gesicht ihre toten Eltern an. Dann drehte sie sich um und rannte los.
    Das tat auch die Alte Graue.
    Pelleas führte einen Hieb durch die Luft, und die alte Werwölfin wich zurück. Billi schoss durch die Lücke, die sich plötzlich aufgetan hatte. Die Werwölfin wirbelte herum, und Billi duckte sich, als ihre Klauen durch die Luft sausten. Die fünf tödlichen Krallen schlossen sich, erwischten aber nur einige Strähnen ihres schwarzen Haars. Billi rannte in drei Sprüngen die Treppe hinauf und ließ das Gemetzel in der Küche hinter sich zurück. Sie erreichte das obere Ende der Treppe gerade noch rechtzeitig, um zu sehen, wie die letzte Tür am Ende des Flurs zuschlug. Sie rannte hin und drehte den Griff. Abgeschlossen.
    »Mach auf!«, schrie Billi. An der weiß gestrichenen Tür waren Holzbuchstaben befestigt: WASSILISSA . Ein paar fielen ab, als Billi mit dem Schwertgriff gegen das dicke Holz schlug. »Lass mich rein, Wassilissa!«
    Die Treppe knarrte.
    »Pelleas?« Billi sah den Flur entlang. Bitte, bitte, mach, dass er es ist! »Pelleas?«
    Die Gestalt drehte ihren länglichen, wölfischen Kopf; aus der Dunkelheit leuchteten grüne Raubtieraugen hervor. Das Knurren war tief und leise, so urwüchsig, dass die Luft erzitterte. Die Große Rote kam näher und kratzte mit den langen, noch immer blutigen Krallen den Putz auf, so dass tiefe Rillen in beiden Wänden entstanden. Es gab keinen Weg an ihr vorbei. Hinter Billi lag ein Fenster, aus dem es vier Meter nach unten ging. Sie saß in der Falle.
    »Wassilissa …« Aber die Tür blieb fest verschlossen. Billi wich zurück, das Wakizashi in der rechten Hand, die Spitze direkt auf das Herz der Werwölfin gerichtet.
    Sie waren nur noch wenige Meter voneinander entfernt. Die schwarzen Lefzen der Roten verzogen sich zu einem Zähneblecken, so dass Billi jeden einzelnen der mörderischen Reißzähne sehen konnte. Dann sprang die Werwölfin.
    Der Angriff warf Billi zu Boden, und ihr Schwert flog davon. Die Rote grub ihr die Klauen in die Schultern. Billi rammte ihr die Füße in den Bauch und trat zu, während sie sich nach hinten abrollte. Beinahe hätte sie es nicht geschafft: Die Bestie war schwerer, als sie angenommen hatte. Ihre Beine zitterten, aber sie quetschte jedes Fünkchen Kraft in den Versuch, die Werwölfin abzuwerfen, und plötzlich stürzte die Bestie über sie hinweg und durchbrach das Fenster. Ihr Heulen wurde zu einem Winseln, und von draußen war zu hören, wie noch mehr Glas zerbarst.
    Dann Stille.
    Der Boden wankte, als Billi aufstand. Ihre Muskeln brannten vor Schmerz, und Blut aus den Klauenwunden lief ihr den Rücken hinab. Mit geschlossenen Augen lehnte sie den Kopf gegen Wassilissas Zimmertür.
    »Mach die verdammte Tür auf! Sofort«, flüsterte sie.
    Ein Klicken ertönte, dann leises Fußgetrappel.
    »Danke.«
    Das Mädchen saß in der Ecke des unbeleuchteten Zimmers. Das Haus war still, und das war nicht gut. Aber Billi durfte sich davon nicht verrückt machen lassen; nur eines hatte Priorität, von hier wegzukommen. Aber wo war Pelleas? War er noch am Leben? Sie schloss die Tür und legte den Riegel vor. Dann lief Billi zu dem Fenster, das auf einen langgestreckten Vorgarten hinausging. Die Wand war mit dicken Ranken bewachsen, und ein Spalier führte von der Regenrinne bis zum Boden. Seitlich sah sie ein Gewächshaus, dessen Dach zerbrochen sein musste, als die Werwölfin hindurchgestürzt war, aber drinnen regte sich nichts. In weiter Entfernung sah Billi Scheinwerfer den Feldweg
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