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Die Wiege des Windes

Titel: Die Wiege des Windes
Autoren: Ulrich Hefner
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Ihren Vortragsreisen nach Sankt Petersburg bemerken müssen, dass die Firma, die Sie eingeladen hat, ein reines Phantasieprodukt ist. Der ungewöhnliche Luxus, inklusive der Damen bei Ihrem Auslandsaufenthalt, hätte ebenso Zweifel an der Lauterkeit der Firma aufkommen lassen müssen. Außerdem sind da noch 500000 Mark auf einem Schweizer Nummernkonto und eine abgestempelte Bahnfahrkarte der ersten Klasse nach Bremen. Das Datum deckt sich mit Ihrer letzten Zusammenkunft mit Romanow, Lührs und dem Ingenieur von der ENCON-Network. Unser Zeuge war übrigens auch zugegen. Im Nebenzimmer. Das sind die Fakten.« Trevisan lehnte sich in seinem Stuhl zurück, verschränkte seine Arme vor der Brust und musterte sein Gegenüber.
    Langsam richtete sich Liebler auf. »Was bekomme ich dafür?«, fragte er heiser.
    Trevisans Miene blieb gelassen, obwohl er diese Frage als Dreistigkeit empfand. »Wir sind nicht auf dem Fischmarkt, wir haben Gesetze.«
    »Nein, Sie verstehen mich falsch«, antwortete Liebler rasch. »Ich meine, was erwartet mich. Sie kennen sich doch aus. Mit welcher Strafe muss ich rechnen?«
    Trevisan verstand. »Ich denke, Sie werden mit einer hohen Strafe rechnen müssen. Wir wissen, dass aufgrund Ihrer Informationen der Briefbombenanschlag auf Doktor Esser verübt werden konnte. Sie haben mitgeteilt, dass er sich an dem betreffenden Tag nach einem längeren Urlaub wieder im Amt befinden würde. Auch wenn der Anschlag fehlschlug, bleibt es bei einer Beihilfe zum Mordversuch.«
    In Lieblers Gesicht zeigte sich ein schmerzvolles Lächeln. »Und dabei ging es zu Anfang nur um die Herstellung von Kontakten … Ich hatte keine Ahnung, dass es so enden würde. Aber eigentlich hätte ich es wissen müssen.«
    »Manche Dinge entwickeln sich eben in eine falsche Richtung, doch hätte man rechtzeitig darüber nachgedacht, so hätte man auch diese Entwicklung in seine Überlegungen mit einbeziehen müssen.«
    »Seit fünfundzwanzig Jahren mache ich jeden Tag meine Arbeit«, fuhr Liebler fort. »Tag um Tag gehe ich ins Büro, arbeite, gehe wieder nach Hause, jogge. Ich hatte Beziehungen, die meist scheiterten, ich traf mich mit Freunden, die sich immer weiter von mir entfernten, heirateten und plötzlich in der Versenkung verschwanden. Irgendwann ist man alleine und hat nur noch seine Arbeit und sich selbst. Doch auch im Job stößt man ständig an die Grenzen. Niemand honoriert es, wenn man sich einbringt, wenn man sein Bestes gibt. Andere teilen sich den Kuchen. Wenn man keinen Namen und keine Beziehungen hat, dann bleibt man eben auf der Strecke. Irgendwann kommt die Erkenntnis, dass man eigentlich gar nichts erreicht hat, dass man aus seinem Leben nichts gemacht hat, außer sich artig unterzuordnen und am Ende der Schlange brav zu warten, bis man endlich aufgerufen wird, um aus dem Schatten zu treten.« Liebler fuhr mit der Hand durch sein Haar und blickte zu Boden.
    »Und Sie wollten aus diesem Schatten heraustreten?«, fragte Trevisan.
    Liebler lächelte. »Insgeheim weiß man, dass dieser Tag nie kommen wird. Ehe man es sich versieht, ist man in einer Spur gelandet, die man nicht mehr verlassen kann, weil man alt, ängstlich und träge geworden ist. Und genau in dieser Situation kommt ein Mann und bietet einem ein kleines Stück seines verlorenen Traumes an. Das Einzige, was man dafür tun muss, ist, einen Kontakt herstellen und der Bürokratie etwas auf die Sprünge helfen. Alles klingt so leicht, so einfach. Es ist nichts Anrüchiges. Man braucht sich nicht einmal selbst aufzugeben dabei. Es ist keine Frage von Überzeugungen, keine Frage von Moral. Man erhält Geld für ein wenig Hilfestellung bei einem Geschäft, das ein wenig unredlich, aber nicht kriminell ist. Schauen Sie in die Parlamente und Regierungssitze, unsere Politiker machen so etwas jeden Tag. Doch plötzlich entgleitet einem die Sache. Man verliert den Überblick, Dinge werden von einem verlangt, die man nicht bereit ist zu tun. Aber man hat sich bereits ausgeliefert. Diese Leute besitzen die Macht, einem das Wenige, das man im Leben erreicht hat, auch noch wegzunehmen.«
    »Sie wurden erpresst?«
    »Anfänglich war es meine freie Entscheidung, doch dann tauchten die Komplikationen auf.«
    »Die Robben!«
    »Ja, das hat alles kompliziert«, bestätigte Liebler. »Und als ich dann aufhören wollte, kamen die Kerle mit Drohungen und Erpressung. Plötzlich ist man mitten in einem Sumpf.«
    »Ging das Winterberg genauso?«, fragte Trevisan.
    Liebler
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