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Die Wiedergeburt (German Edition)

Die Wiedergeburt (German Edition)

Titel: Die Wiedergeburt (German Edition)
Autoren: Uwe Siebert
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erfüllt. Er trat aus der Jurte, ein kühler Tag hatte begonnen. Eine weißgraue Wolkendecke verschleierte die Strahlen der Sonne und verschmolz mit den Spitzen der Berge.
    Von der Feuerstelle stieg Rauch auf. Die von Ojun e r richteten Holzscheite brannten lichterloh. Über den Flammen hing bereits der Kessel, in dem abermals Schafsfleisch vor sich hin garte.
    „Ojun?“ rief Larkyen. Als der Schamane ihm nicht antwortete, beschloss er, sich ein wenig umzusehen.
    Er verließ den Wald und gelangte zu dem Bach, den er zuvor nur hatte hören können. Nun übertönte Vogelg e zwitscher das Plätschern des Wassers. Die Bäume waren hoch und alt, und ihre knorrigen Stämme warfen breite Schatten. Manche ihrer Wurzeln hatten sich wie ein G e flecht über den moosigen Boden gelegt. In zahlreichen Windungen floss der Bach zwischen ihnen hindurch. Während Larkyen von dem eiskalten Wasser trank, schü t telte er den letzten Rest Schlaf ab. Dieser Ort war ganz anders als die Steppe, war aber vielleicht auch ein guter Platz zum Leben. Die Gegend bot Ojun alles, was er brauchte.
    Er drehte sich zu dem Schamanen um. Der alte Mann schien schon lange wach zu sein, falls er überhaupt g e schlafen hatte. Er stand bei den Tieren, und Larkyen b e merkte, wie er liebevoll mit den Schafen und Ziegen sprach. Hielt Larkyen es anfangs für die wunderliche G e ste eines vereinsamten alten Mannes, stellte er schnell fest, dass die Tiere ihn anscheinend verstanden. Denn als er ihnen zurief, sie mögen sich zum Grasen an einen der Hänge begeben, folgten sie.
    „Ein neuer Tag hat begonnen“, sagte Ojun, „und ich fühle, dass es ein guter Tag sein wird.“
    „Ich schulde dir viel.“ Erst jetzt wurde Larkyen so richtig bewusst, dass der Schamane ihm das Leben gere t tet hatte. Wie konnte er diese Schuld je begleichen?
    „Du schuldest mir nichts“, entgegnete Ojun, als kenne er seine Gedanken. „Dass ich dir helfen kann, ist eine E h re für mich.“
    Larkyen hätte beinahe laut gelacht.
    „Eine Ehre?“
    „Du sagst es“, antwortete der Schamane, und sein Blick wurde ernst.
    „Das musst du mir erklären, Schamane.“
    „Setz dich ans Feuer und warte dort auf mich. Du kannst inzwischen ein wenig von dem Fleisch genießen, es dür f te jetzt gar sein.“
    Dann wandte sich Ojun wieder seinen Tieren zu.
    Larkyen schüttelte den Kopf über das wunderliche Verhalten des Schamanen. Schließlich folgte er und ging zurück ans Feuer. Nachdem er gespeist hatte, trat der Schamane endlich zu ihm. Nachdem er ihn eine Weile mit se i nen schmalen Augen gemustert hatte, fiel sein Blick auf das Mal auf Larkyens linkem Handrücken.
    „Ich werde dir nun etwas offenbaren, das dein Leben ve r ändern wird. Hast du dich je gefragt, was dieses Mal an deiner linken Hand zu bedeuten hat?“
    „Es ist von ungewöhnlicher Form, doch ich ahnte nie, dass es eine Bedeutung hat. Meine Adoptiveltern sagten, ich hätte es bereits gehabt, als mich die Yesugei fanden.“
    „Das Mal auf deinem Handrücken ist unverkennbar. Eine schwarze Sonne mit gewundenen Strahlen.“
    „Dann hat es also eine Bedeutung.“
    Der Schamane nickte langsam.
    „Und du weißt, was es bedeutet?“ fragte Larkyen au f geregt. „Und sagst es mir erst jetzt?“
    „Es ist das Mal der schwarzen Sonne“, erklärte Ojun. „In der Geschichte der Welt geschah es drei Mal, dass sich die Sonne verfinsterte und in schwarzen Flammen brannte, deren violetter Schein die Menschen in ihren Bann zog.
    Die erste schwarze Sonne erschien, bevor der Mensch den Stahl entdeckte und den Umgang mit ihm erlernte. Die zweite schwarze Sonne erschien, als der Mensch den Stahl bereits erforscht hatte und ihn einzusetzen wusste.
    Und als die dritte schwarze Sonne auf die Welt schien, tobte im Westen gerade ein langer, verheerender Krieg.
    Zwanzig Winter ist es nun her, dass du geboren wu r dest, und an jenem Tag war die Sonne schwarz. Jedes Kind, ob in Ost oder West, im Norden oder im Süden, das in jener Zeit geboren wurde, wurde mit diesem Mal am Körper versehen. Es weist dich als Kind der schwarzen Sonne aus.“
    Larkyens Herz schlug schneller, in seinen Zügen zei g te sich Verwirrung.
    „Es gibt nur sehr wenige Kinder der schwarzen So n ne“, sagte Ojun, „und sie sind über die ganze Welt ve r streut. Selbst die weisesten Menschen aller Herren Lä n der wissen nicht viel über die Kinder der schwarzen So n ne zu berichten, ich aber weiß, dass nach ihrem ersten Tod die Wiedergeburt erfolgt. Von da an
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