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Die Werwolfbraut (German Edition)

Die Werwolfbraut (German Edition)

Titel: Die Werwolfbraut (German Edition)
Autoren: Earl Warren
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Blödsinn. Und, als ihn die Hitze fast um den Verstand brachte und sein Rücken vom Bücken fürchterlich schmerzte: Lieber ein Werwolf, wie so ein Kleinbauer wie ich. Ein Werwolf muss sich nicht die Knochen aus dem Leib schinden und hat doch nichts zu fressen.
    Die Hitze und der Kummer und die Sorge um seine schwerkranke Frau vernebelten Michele Montalbas Verstand. Sonst hätte er anders gedacht.
     
    *
    Am Abend stieg Francesca den Berg hinauf, zu den Ruinen des Klosters von San Bernardo. Die Sonne war schon fast untergegangen, aber es war immer noch glühend heiß. Der verkarstete Hang mit den wenigen dürren Grasbüscheln, Büschen und kahlen Steinen strahlte die Tageshitze wider wie ein Backofen. Francesca schwitzte in ihrem leuchtend gelben Kleid, das sie von weitem wie einen hübschen Zitronenfalter aussehen ließ. Sie hatte sich verspätet, weil sie bei ihrer von den Wölfen gebissenen Cousine Rosanna Andrigotti gewesen war.
    Rosanna hatte sie festgehalten, ihre Hände umklammert und geklagt und gestöhnt: »Die Bisswunden schmerzen und brennen, als ob sie mit Säure übergossen wären. In der letzten Nacht spürte ich das Licht des Vollmonds bis in das Knochenmark, obwohl ich in einem völlig abgedunkelten Zimmer lag. Meine Knochen schmerzten. Sie bogen und verformten sich. Eine ungeheuer starke Kraft wirkte auf mich ein. Da ist etwas Fremdes in mir...«
    Ihre Qual und Angst rührten Francesca, die ein gutes Gemüt hatte. Sie hatte sich die Bisswunden angeschaut, an ihnen jedoch nichts Ungewöhnliches feststellen können. Nicht einmal entzündet waren sie und normal verschorft.
    »Mein Schädel wollte zerspringen«, klagte Rosanna weiter. »Francesca, ich habe solche Angst. Ein Werwolf hat mich gebissen. Ich fürchte, dass ich zu einer Werwölfin werde, zu einem Geschöpf der Nacht. – Francesca, gibt es keine Rettung für mich? Komme ich in die Hölle, wenn... wenn ich ein Werwolf bin?«
    Francesca hatte ihr den Schweiß von der fieberheißen Stirn getupft.
    »Du wirst kein Werwolf«, sagte sie. »Das bildest du dir nur ein. Sei ganz ruhig. Es wird alles gut. Der Arzt hat gesagt, es ist alles gut und normal.«
    »Er hat keine Ahnung, der Quacksalber. Wenn es Nacht wird, verkriecht er sich selbst hinter fest verschlossenen Türen und stellt silberne Kreuze auf. Das sind keine normalen Wölfe gewesen, Cousine. – Hilf mir doch! Bitte, hilf mir! Warum glaubt mir denn keiner? Lass mich nicht allein.«
    Francesca hatte sich zu ihr ans Bett gesetzt und mit ihr zusammen den Rosenkranz gebetet. Dann war Rosannas Mutter gekommen und hatte ihr ein Schlafmittel gegeben. Die schwarzgekleidete Frau, eine Verwandte von ihr war neulich gestorben, hatte sorgenvoll dreingeschaut. Francesca fragte sie, nachdem sie das Zimmer mit der Kranken verlassen hatte. Rosannas Mutter stritt strikt ab, dass mir ihrer Tochter etwas Schwerwiegendes nicht ein Ordnung sein könnte.
    »Das ist der Schock«, sagte sie. »Das Fieber verwirrt ihre Sinne. Sie hat viel Blut verloren und phantasiert. – Werwölfe, pah. Meine Tochter ist von einem wilden Hund, vielleicht auch von einem Halbwolf gebissen worden. Dass sie jetzt Angst hat, sich in einen Werwolf zu verwandeln, ist barer Unsinn.«
    Aber die Angst stand der Frau ins Gesicht geschrieben und flackerte in ihren Augen. Sie fürchtete, ihr Kind könnte ein grässliches Untier werden, Schreckliches könnte geschehen, und sie würde Rosanna verlieren. Darum gab sie sich betont optimistisch und agnostisch, was Werwölfe betraf, obwohl sie sonst schon anders geredet hatte.
    Viel später als beabsichtigt verließ Francesca das Dorf. Die Bäume an Berghang waren schwarze Silhouetten vor dem Abendrot. Francesca sah das Kastell di Lampedusa im Norden, in dessen Fenstern sich rot das Licht der Abendsonne widerspiegelte, als ob sie mit Blut übergossen wären. Von Ricardo war nichts zu sehen. In San Clemente bimmelte die Abendglocke. Dünn und blechern hallte es in die Berge.
    Dann kam Francesca über den Kamm und sah die Klosterruine vor sich. Unheimlich wirkte sie, ein schauriger Ort. Zerfallende Mauern, ein Turm, der wie ein zerbröckelnder Finger gen Himmel ragte. Die Sonne war untergegangen. Der letzte Schimmer des Abendrots glühte noch, und immer deutlicher war die Scheibe des Vollmonds am Himmel zu sehen. Das Läuten der Kirchenglocke von San Clemente verstummte.
    Francesca fröstelte plötzlich, trotz der Hitze. Das Läuten hatte ihr Mut gegeben. Es war die Stimme der geweihten Kirche, die
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