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Die volle Wahrheit

Die volle Wahrheit

Titel: Die volle Wahrheit
Autoren: Terry Pratchett
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einfach ignorieren zu können, vor al em nach der Einnahme des
    lokalen Äquivalents von getrockneten Froschpillen. Dies führte dazu,
    dass die elementare Physik zusätzliche Arbeit leisten musste und es
    unten auf der Straße zu einem Verkehrsstau kam. Wenn sich ein Zaube-
    rer einbildet, fliegen zu können, sieht die Sache ein wenig anders aus.
    »Quäästor! Komm sofort runter!«, rief Erzkanzler Mustrum Ridcully
    durch ein Megaphon. »Du weißt doch, dass du nicht bis über die Mau-
    ern aufsteigen sollst!«
    Der Quästor schwebte dem Rasen entgegen. »Du wol test mich spre-
    chen, Erzkanzler?«
    Ridcully winkte mit einem Blatt Papier. »Neulich hast du mich darauf
    hingewiesen, dass wir einen Haufen Geld für die Graveure ausgeben«,
    donnerte er.
    Der Quästor brachte seinen Verstand auf annähernd die richtige Ge-
    schwindigkeit. »Habe ich das?«, erwiderte er.
    »Du hast in diesem Zusammenhang von einer starken Belastung un-
    seres Budgets gesprochen. Ich erinnere mich genau daran.«
    Im mentalen Getriebe des Quästors griffen einige Zahnräder ineinan-
    der. »Oh. Ja. Ja. Stimmt«, sagte er. Ein weiteres Zahnrad drehte sich.
    »Es kostet uns jedes Jahr ein Vermögen. Die Graveursgilde…«
    »Der Bursche hier behauptet…« Der Erzkanzler sah auf das Papier.
    »Angeblich ist er imstande, zehn Kopien von jeweils tausend Worten
    für einen Dollar zu liefern. Ist das billig?«
    »Ich glaube, äh, da muss jemand falsch geschnitzt haben, Erzkanzler«,
    sagte der Quästor und fand schließlich zu dem ruhigen, beschwichti-
    genden Tonfal , der sich besonders gut für Gespräche mit Ridcul y eig-
    nete. »Das Geld würde nicht einmal für das nötige Buchsbaumholz
    ausreichen.«
    »Hier steht…« Papier knisterte. »Bis zu einer Größe von zehn Punkt«,
    sagte Ridcully.
    Der Quästor verlor die Kontrolle über sich.
    »Lächerlich!«
    »Was?«
    »Entschuldige bitte, Erzkanzler. Ich meine, das kann unmöglich
    stimmen. Selbst wenn jemand so gute Schnitzarbeit leisten könnte…
    Das Holz würde nach einigen wenigen Abdrucken zerbröckeln.«
    »Du kennst dich mit solchen Dingen aus, wie?«
    »Nun, mein Großonkel war Graveur, Erzkanzler. Und die Druck-
    rechnung gehört zu unseren wichtigsten Kostenpunkten. Nicht ohne
    gewissen Stolz möchte ich an dieser Stel e darauf hinweisen, dass es mir
    mit großem Verhandlungsgeschick gelungen ist, bei der Gilde einen
    Sonderrabatt durchzusetzen…«
    »Sie lädt dich zu ihrer jährlichen Schlemmerei ein.«
    »Nun, als ein wichtiger Kunde wird die Universität zum offiziellen
    Essen der Gilde eingeladen, und da ich für diese Sache zuständig bin,
    nehme ich meine Verantwortung wahr und…«
    »Fünfzehn Gänge, wie ich hörte.«
    »… und außerdem besteht unsere Politik darin, freundschaftliche Be-
    ziehungen zu den Gilden zu unterhalten…«
    »Nüsse und Kaffee nicht eingeschlossen.«
    Der Quästor zögerte. Der Erzkanzler neigte dazu, sture Dummheit
    mit Besorgnis erregendem Scharfsinn zu vereinen.
    »Das Problem, Erzkanzler«, sagte er langsam, »besteht darin, dass wir
    immer sehr gegen die Verwendung von Drucktypen für magische Zwe-
    cke waren, weil…«
    »Ja, ja, darüber weiß ich Bescheid«, brummte Ridcully. »Aber es gibt da noch den anderen Kram, der jeden Tag mehr wird. Formulare und Dia-gramme und was weiß ich. Nun, ich habe mir immer ein papierloses
    Büro gewünscht…«
    »Ja, Erzkanzler, deshalb versteckst du den ganzen Kram in Schränken
    und wirfst ihn nachts aus dem Fenster.«
    »Sauberer Schreibtisch, klarer Verstand«, sagte der Erzkanzler. Er
    drückte das Werbeblatt dem Quästor in die Hand.
    »Geh einfach mal hin und stel fest, ob wirklich etwas daran ist. Und
    ich meine gehen, nicht fliegen .«

    Am nächsten Tag gab William seiner Neugier nach und kehrte zu den
    Schuppen hinterm Eimer zurück. Er hatte nichts zu tun, abgesehen von al em anderen, und es gefiel ihm nicht, untätig zu sein.
    Es heißt, es gebe zwei Kategorien von Leuten auf der Welt. Wenn
    man den einen ein Glas zeigt, das genau halb vol ist, so sagen sie: Die-
    ses Glas ist halb voll. Die anderen hingegen meinen, das Glas sei halb
    leer.
    Allerdings gehört die Welt jenen, die das Glas ansehen und sagen: »Was ist mit diesem Glas? Entschuldigung! Dies ist mein Glas? Nein, das glaube ich nicht. Mein Glas war voll! Und es war größer!«
    Und am anderen Ende der Bar ist die Welt vol er Leute, die ein zer-
    brochenes Glas haben, oder deren Glas achtlos umgestoßen
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