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Die vierte Schlinge: Thriller (German Edition)

Die vierte Schlinge: Thriller (German Edition)

Titel: Die vierte Schlinge: Thriller (German Edition)
Autoren: Beverly Connor
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die Körper. Die durch die einsetzende Verwesung geschwärzte Haut, die leeren Augenhöhlen, die freigelegten Knochen und die offenen, schiefen Münder stifteten eine unheimliche Verwandtschaft. Sie trugen alle ähnliche, aber nicht identische Overalls, die früher einmal marineblau oder auch dunkelgrau gewesen sein mochten. Ihre genaue Farbe ließ sich aber wegen der unzähligen Flecken eingetrockneter Körperflüssigkeit nicht mehr erkennen. Einer hatte lange, blonde Haare, die seinem Schädel noch zur Hälfte anhafteten und deren Strähnen sich bei jedem Windstoß sanft bewegten. Das Haar der beiden anderen war kürzer und dunkel – vielleicht braun oder auch schwarz. Allen hatte man die Hände auf den Rücken gebunden.
    Plötzlich fiel ohne Vorwarnung der am weitesten entfernt hängende Körper zu Boden. Die verrottende Haut seines Halses hatte wohl das Gewicht nicht mehr tragen können. Der Kopf prallte neben dem Torso auf die Erde und rollte etwa vier Meter weit weg, wobei er einen langen Hautstreifen hinter sich herzog.
    »Um Himmels willen«, rief einer der Deputies aus und wich unwillkürlich zurück.
    Diane dagegen hatte den grausigen Vorfall mit großem Interesse verfolgt. Für sie war er Teil eines ganz natürlichen Verwesungsprozesses. Wenn man diesen kannte, wurde ein solches Einzelereignis zum Teil des Puzzles, das man zusammensetzen musste, wenn man diesen Fall lösen wollte. Wusste man zum Beispiel, wie lange es dauerte, bis sich bei einer langsam verwesenden aufgehängten Leiche unter unterschiedlichen Bedingungen der Kopf vom Rumpf löste, ließen sich dadurch höchst interessante Erkenntnisse gewinnen. Dies alles war Gegenstand der Taphonomie, der Wissenschaft von der Verwesung und Fossilisation von Organismen.
    Wenn Diane allerdings in die Gesichter der Umstehenden blickte, konnte sie erkennen, dass diese im Moment an solchen Informationen nicht allzu sehr interessiert waren. Sie schaute auf die Uhr.
    Der Sheriff riss den Blick von der unheimlichen Szene los und wischte sich erneut den Schweiß von der Stirn. »Was halten Sie davon, Dr. Fallon?«
    »Diese Trockenperiode dauert nun schon recht lange«, antwortete Diane. Er schaute sie etwas verdutzt von der Seite an. Sie zerbröselte die dürren Blätter eines in der Nähe stehenden Busches in der Hand und nickte in Richtung der Mordopfer. »Trockene Luft befördert diesen sonderbaren Effekt.«
    »Sie meinen, das da ist normal?«, entgegnete er ungläubig. »Ich habe schon ein paar Gehängte gesehen, und ich weiß, dass dabei der Körper mit der Zeit etwas in die Länge geht, aber, bei aller Liebe … So etwas habe ich noch nicht erlebt.«
    »Sie haben sie einfach nicht zur richtigen Zeit oder unter den richtigen Umständen gesehen. Die Schwerkraft lässt die Körper tatsächlich immer länger werden, viel länger, als sie zu Lebzeiten jemals gewesen sind. Manchmal führt das dann zu einem Zustand wie diesem hier.« Diane zeigte mit der Hand auf das Opfer, das direkt vor ihnen hing.
    »Also, ich muss sagen, das beruhigt mich dann doch ein wenig. Wir konnten uns einfach nicht erklären, wie der Mörder so etwas bewerkstelligen konnte – oder warum er dies tun sollte. Wir dachten, wir hätten es hier mit einem perversen Irren zu tun – Sie wissen schon, im Unterschied zu den normalen Verrückten, mit denen wir es sonst zu tun haben …«
    Diane fiel in sein Lachen ein. Jeder hier war für den geringsten Anflug von Normalität dankbar.
    Sie lenkte ihre Aufmerksamkeit auf den Tatort zurück. Auf den Körpern waren kaum Maden zu erkennen. Aber das hatte sie auch nicht erwartet. Danach untersuchte sie die Tropfzone, die Fläche unter den Leichen, auf die Verwesungsflüssigkeit und kleinste Fleischteile herabgetropft waren. Hier wimmelte es von Hunderten von Maden und räuberischen Käfern, die ihrerseits Jagd auf sie machten. Bald würden sie den zu Boden gefallenen Leichnam entdecken. Wenn man ihn dort liegen ließe, würden sie ihn bis auf die Knochen vertilgen.
    »Das ist ja ekelhaft«, meinte einer der Assistenten des Sheriffs.
    Diane hatte ihn noch nie gesehen. Vielleicht war er neu. Wenn er bei diesem Job blieb, würde er noch weit ekelhaftere Dinge zu sehen bekommen.
    Hängt ihn noch höher! Der Titel dieses alten Clint-Eastwood-Films kam Diane in den Sinn, als sie die zwei Körper näher betrachtete, die noch in den Bäumen hingen. Trotz ihrer unnatürlichen Überlänge befanden sich ihre Schuhe immer noch mehr als einen Meter über dem
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