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Die Vergessenen. Thriller (German Edition)

Die Vergessenen. Thriller (German Edition)

Titel: Die Vergessenen. Thriller (German Edition)
Autoren: Mike Wächter
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eine raue, dunkle Fläche zu sehen. Wie der Kopf eines Geistes.
    Die Gestalt holte einen dicken Ast hinter ihrem Rücken hervor und schwang diesen über ihrem Kopf. Das schwere Stück Holz schlug mit einem dumpfen Knall auf Jonathans Schädel auf. Er spürte noch, wie sich ein Holzsplitter in seine rechte Schläfe bohrte, dann wurde es finster.
    Dunkelste Nacht.

 
    Erster Teil

1.
    Samstag, 19. April
    Mannheim
     
    Kimski sitzt in seinem Wagen, ein klappriger 2-er Golf. Das war bestimmt mal eine geile Karre, was aber vor dem Fall der Berliner Mauer gewesen sein muss, lange bevor Kimski ihn gekauft hat. Wie jeden Samstagnachmittag fährt er zu seinem Vater. Er besucht seinen Erzeuger immer samstags, zwischen 16 und 18 Uhr. Und nur dann.
    Als Kimski an einer roten Ampel halten muss, fummelt er eine CD, die auf dem Beifahrersitz liegt, aus ihrer Hülle und legt sie ein. Indochine , eine französische Düsterrockband, deren Texte er nicht versteht. Aber eigentlich geht es ihm bei dem französischen Depri-Sound nur darum, in die richtige Stimmung für den Verwandtenbesuch zu kommen.
    Als Kimski das Pflegeheim erreicht, gibt es wie jeden Samstag weit und breit keinen Parkplatz. Normalerweise würde er sich so richtig darüber aufregen, aber nicht heute. Er setzt den Blinker und manövriert seinen Wagen auf den Bordstein, genau vor dem Eingangsportal des Hauptgebäudes. Er bleibt stehen, mitten auf dem weißen Kreuz, das das absolute Halteverbot markiert.
    Wenn Kimski in seiner Zeit als Gruppenführer beim SEK in Göppingen etwas Vernünftiges gelernt hat, dann ist es das Improvisieren in ausweglosen Situationen. Die Parkplatzsuche in diesem Stadtteil gehört definitiv dazu.
    Er nimmt den Zettel aus dem Handschuhfach, den er zu Hause vorbereitet hat, und klebt ihn von innen an die Windschutzscheibe. Dann steigt er aus und begutachtet sein Werk. Das Schild sieht vielleicht nicht hundertprozentig echt aus, überzeugt aber irgendwie doch: Eiliger Medikamententransport . Dagegen können die von der Heimverwaltung wohl nichts sagen. Zufrieden dreht er sich um und betritt das Gebäude.
     
    »Innen sieht das Pflegeheim auch nicht anders aus als eine Leichenhalle«, denkt Kimski. Die Wände sind vollkommen kahl. Er hat seine rechte Hand unter seinem Jackett verborgen und fingert an seiner Pistole herum. Sein Vater liegt vor ihm im Bett und stöhnt auf.
    Am Fußende des Bettes sitzt Georg, der jüngere Bruder seines Vaters, und schweigt. Kimski kennt ihn nur schweigend, als stillen Beisitzer bei Familienfeiern und Verwandtenbesuchen – Georg, die Mumie.
    »Und, Junge ... geht es besser mit deiner Auftragslage?«, fragt der Vater. Das Sprechen bereitet ihm Mühe, immer wieder ist er zu Pausen gezwungen. Zwar kann er sich nach der logopädischen Behandlung mittlerweile wieder einigermaßen verständlich machen, aber er lallt noch immer.
    »Papa, bitte.«
    »Ich will doch nur helfen.« Der Vater wird laut, verschluckt sich und muss husten. Nachdem er sich gefangen hat, redet er weiter. »Ich merke doch, dass deine Geschäfte nicht gut laufen ... seit du dich selbstständig gemacht hast.«
    »Das Leben ist kein Ponyhof. Na und?«, sagt Kimski trocken. »Es dauert einige Monate, bis sich herumgesprochen hat, dass es eine neue Detektei in der Stadt gibt.«
    »Ich meine ja bloß ... Hätten wir in Deutschland einen richtigen Sozialstaat ... nicht diesen faschistischen Kapitalismus, dann müssten wir beide uns keine Sorgen machen.«
    Kimski schüttelt den Kopf und blickt auf den Boden.
    »Darüber haben wir doch schon so oft gesprochen. Faschismus und Kapitalismus haben nichts miteinander zu tun.«
    »Du weißt, dass das nicht wahr ist ... Aber du würdest dir eher die Zunge abbeißen ... als mir recht zu geben. Das war schon immer dein Problem!«
    Der Vater versucht, sich im Bett aufzurichten, was ihm nicht ganz gelingt. Anschließend setzt das Husten wieder ein.
    »Adolf, bitte beruhige dich ...« Georg macht das erste Mal seit Kimskis Ankunft den Mund auf.
    »Nenn mich nicht Adolf!«
    »Wie soll ich dich denn sonst nennen?«
    »Ich heiße Ilja!«
    »Ilja. Meine Güte, jetzt geht dieser Unsinn wieder los. Als Kind hießest du auch Adolf, also nenne ich dich weiterhin so.«
    »Du hast gut reden ... Dich hat unser geliebter Vater nicht nach dem Führer benannt!«
    Georg rückt seinen Anzug zurecht, lehnt sich zurück, legt die Hände im Schoß übereinander und schweigt wieder. Anders als sein Bruder wurde aus ihm ein erfolgreicher
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