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Die Verborgene Schrift

Titel: Die Verborgene Schrift
Autoren: Anselma Heine
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Man muß sich ergeben.«
    In diesem Augenblick schloß jemand von außen die Haustür auf. Helmut. Das Gesicht der Elsässerin veränderte sich jäh, und in Helmuts Wangen stieg eine brennende Röte auf.
    Sie lieben sich ja, dachte Martin überrascht.
    Die beiden jungen Leute sahen sich einen Augenblick an. »Sie wollen schon fort?« fragte Helmut.
    Martin drängte zur Türe. Er wollte die zwei allein lassen. Aber in ihrer selbstvergessenen Starrheit versperrten sie ihm den Weg. Das Mädchen hatte ihre Schlupfenhaube abgelegtund stand nun kraftvoll da in ihrem dicken, dunkeln Scheitelhaar. »Sie ziehen sich nun wahrscheinlich Ihren deutschen Soldatenrock an?« fragte sie zornig zu Helmut hinüber.
    »Selbstverständlich!«
    Sie pochte ungeduldig mit den Fingern am Holzgetäfel der Wand. »Wie ich das Wort hasse! ›Selbstverständlich.‹ Seit gestern hört man kein anderes mehr bei den deutschen Herren hier in Straßburg.«
    An Helmuts Stirn sprang eine Zickzackader auf, dick von Blut. »Weil es gar nichts anderes zu antworten gibt,« sagte er böse.
    »Auch nicht für Sie? Wie oft haben Sie sich gerühmt, keins der alten abgelegten Ideale mehr anzuerkennen, und nun – –«
    »Es sind keine abgelegten!« Seine Stimme war schnarrend vor Aufregung.
    »Nein? Ich höre nur die alten deutschen Schlagworte ›Deutschland über alles‹, ›Hurra, Hurra‹ und Säbelrasseln. Ist es nicht so?« Sie sah jetzt zu Martin hinüber wie zu einem Mitstreiter.
    »Ich beneide den Herrn Referendar aufrichtig um sein ›Selbstverständlich‹,« sagte der.
    Die beiden hörten nichts davon. Glut und Feindlichkeit mischten sich in ihren Blicken, die sich trafen wie blitzende Klingen.
    »Dressur!« spottete das Mädchen wieder, »nichts als preußische Dressur. Der Herr befiehlt, der Hund springt ins Wasser, Tout simplement .« Sie nestelte dabei an ihrem Silberschmuck und knüpfte sich ihr Schultertuch fester, wie um fortzugehen. Er trat zurück, sie vorbeizulassen. Sein blondes, glattrasiertes Gesicht erschien metallisch bleich.
    Sie wandte sich noch einmal heftig um. »Sie sehen also Ihr Glück darin, einer zu sein von den Hunderttausenden, die die große Maschine bedienen?«
    »Ja, ja,,« schrie er ihr entgegen. Das Wort hallte, als habe man an einen Schild geschlagen. »Man hat es selber nicht gewußt, daß man einmal so fühlen könnte,« sagte er dannruhiger, sich an Martin mitwendend. »Man folgt Gesetzen, die längst nicht mehr die unsern schienen. Man muß,« etwas Brüchiges kam in seine Stimme, »man muß alles hinter sich lassen, das einem bisher lieb war, geht hinaus ins Ungewisse, Fremde, man weiß das alles ganz genau, und dabei hat man ein Glücksgefühl, das unverständlich ist.«
    Ein kurzes schweres Schweigen folgte. Die Elsässerin zog ihr Schultertuch fester zusammen. »Ich gehe jetzt.« Sie reichte Helmut die Hand.
    »Aber wollen Sie so auf die Straße?« fragte Hanna, die mit einem Stapel Wäsche die Küchentreppe heraufkam, »so im Kostüm?«
    »O, wir Elsässer schämen uns nicht unserer Tracht. Gelt?« Wieder sprach sie zu Martin hinüber. Dann, schneller als er ihr folgen konnte, war sie zur Tür hinaus.
    Helmut war in der Garderobe stehengeblieben. Sein Fuß klopfte wie in wütenden Schmerzen den Boden.
    Im Begriff endlich wirklich zu gehen, wurde Martin noch einmal durch Unvermutetes zurückgehalten. Denn in der Türe, die die Elsässerin offen gelassen hatte, erschien jetzt Albert Blanc mit seiner Gattin, sich an die Fersen von Geheimrat Hummel heftend, den sie im Vorgarten erwischt hatten. Unwillkürlich zog sich Martin zurück und war nun Zeuge einer Szene, die ihn peinigte.
    Madame führte das Wort. Im Hausflur stehend, da der Geheimrat nicht Miene machte ins Haus einzutreten, begann sie geläufig von ihrem Sohne Maurice zu reden, der ja bei dem Herrn Geheimrat Volontär werden solle, und dessen ganze zukünftige Karriere verdorben sei, wenn er jetzt zur Armee berufen würde. Sie hob die Hände wie zu einem Andachtsbilde, unerschreckt durch den geraden, unbewegten Blick des alten Herrn, der nichts erwiderte.
    »Ein Mann wie Sie,« sagte sie enthusiastisch, »der nur ein Wort zu sagen braucht, um zu erlangen, was er will. O, Herr Geheimrat, sagen Sie es, dieses Wort! Dieses Wort, das eine arme Mutter glücklich macht. Ich wäre so überausdankbar, so unaussprechlich dankbar. Ich möchte Ihnen jetzt gleich einen Kuß dafür geben, daß Sie sich für uns bemühen werden, n'est-ce pas, Albert?«
    Hummel
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