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Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Die Unvorhersehbarkeit der Liebe

Titel: Die Unvorhersehbarkeit der Liebe
Autoren: Goliarda Sapienza
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fürchte ich jeden Moment, ihre Stimme losdonnern zu hören. Wer schreit denn da so?«
    Prando: »Das ist Nina, Mama, aber sie schreit nicht. Sie singt in den Armen ihres Gecken. Der ist mir vielleicht unsympathisch! Guck, sie haben uns gesehen. Komm, laß uns hinter die Hecke flüchten. Vielleicht entgehen wir dann dem Getue dieses nichtsnutzigen gentleman .«
    Nina: »O nein, Prandone! Jetzt mußt du damit aufhören, Modesta wie eine Geisel zu behandeln. Wir haben auch ein Recht, bei ihr zu sein. Oh, mit sicherer Distanz, keine Sorge. Wo willst du mit ihr hin?«
    Prando: »Ich bringe sie ins Bett, Nina.«
    Nina: »Ins Bett? Wo es gerade am schönsten ist? Bleib, Mody, bleib bei deiner Nina.«
    Prando hält mich weiter fest. Die hundert Treppen und Vorhänge und Korridore des Hauses haben mich in eine toderfüllte Vergangenheit zurückversetzt, und Nina muß das gespürt haben, denn mit festem Griff schiebt sie Prandos Arme beiseite und sagt lachend:
    »O nein, Schätzchen! Wir haben sie dir den ganzen Abend gelassen, dafür bleibt Mody jetzt bei uns.«
    Prando: »Aber sie ist müde, Nina!«
    Nina: »Das hättest du wohl gern, mein Schöner! Willst du meine Meinung hören? Sie ist es müde, von euren Problemen aufgefressen zu werden. Oh, diese Stillbabys, Marco! Je öfter du sie anlegst, um so gefräßiger werden sie.«
    Prando: »Du bist ein Scheusal, Nina, ein Scheusal, bei Gott!«
    Nina: »Warum gehst du nicht zu Amalia? Schau nur, wie sie dich ansieht …«
    Prando: »Das werde ich auch tun, kommst du, Mama?«
    Ich möchte gehen, ich bin müde, aber nun umarmt mich Nina, und ich möchte ihrem Freund gegenüber nicht unhöflich sein. So wie Prando es mit Fremden immer ist. Um es wiedergutzumachen, reiche ich dem Herrn die Hand, komme aber nicht auf seinen Namen.
    Modesta: »Wie sagtest du, Nina?«
    Marco: »Marco Clayton, Signora. Nina, deine Modesta will mich einfach nicht kennen.«
    Nina: »Ach komm, Mody, hundertmal habe ich ihn dir schon vorgestellt! Läßt dein Gedächtnis dich etwa im Stich? Erinnerst du dich nicht an den Abend bei mir zu Hause, als du mit Carlo kamst und wir ins Theater gegangen sind? Sieh es ihr nach, Marco. Wenn Mody mit Carluzzu zusammen ist, hat sie nur Augen für ihn.«
    Stimmt, der Theaterabend … als Pietro noch lebte und Olimpia noch da war. Nina hat recht, er war auch bei der Totenwache und der Beerdigung dabei. Jetzt erinnere ich mich an dieses Gesicht neben Nina … Ich bin müde, und Prandos Blicke rufen mich. Ich sollte ihnen folgen. Aber der Herr? »Denk immer daran, Mody, daß eine Fürstin, auch wenn sie keine ist, niemanden beleidigen darf, auch nicht den einfachsten Menschen.«
    Marco: »Tja, Nina, hast du vielleicht Lust auf eine schöne Tasse Tee? Mir scheint, deine Mody ist äußerst müde, gehen wir lieber.«
    Er ist gekränkt, trotz seines Lächelns sieht man, daß er gekränkt ist. Ich muß etwas sagen.
    Modesta: »Verzeihen Sie mir, aber ich bin wirklich müde …«
    Und warum höre ich jetzt, wie meine Stimme fortfährt:
    »Sie sind Musiker, nicht wahr? Und können Sie schwimmen?«
    Nina: »Was soll das, Modesta? Ich sterbe vor Lachen! Hatte ich es dir nicht gesagt, Marco? Sie tut immer ganz ernst, und dann …«
    Modesta: »Dann laßt uns schwimmen gehen.«
    Nina: »Aber das Meer ist weit, Mody!«
    Modesta: »Mit der Kutsche kam es einem immer weit vor. Aber jetzt mit dem Auto ist man in weniger als einer Stunde …«
    Nina: »Was meinst du, Marco, tun wir ihr den Gefallen? Wir steigen ins Auto und bringen sie ans Meer? Sieh nur dieses Gesicht eines Unschuldsengels! So ist meine Mody immer, sogar im Knast hatte sie solche Einfälle, und vorbei war’s mit der Ruhe.«
    Marco: »Ist das wahr?«
    Die beiden lachen, und es ist klar, daß sie nur aus Höflichkeit bei Modesta bleiben. Es ist klar, daß sie es kaum erwarten können, allein zu sein und zu lachen und sich zu necken. Ich bin zu ernst geworden! Ich bin so darauf konzentriert, Großmutter Gaia nachzueifern, um mir Respekt zu verschaffen, daß sie mich ganz in Besitz genommen und mich alt und hart gemacht hat. Oh, warum verliebe ich mich nicht mehr? Nina hatte nach mir eine große Liebe – à la »Grand Hotel«, wie sie es ausdrückte –, und dann noch jene andere, erhabene Liebe, eine Frühlingsliebe … »Welchen Sinn hat das Leben, wenn du dich im Frühling nicht verliebst?« Doch gar so erhaben konnte sie nicht gewesen sein, wenn sie sich nur drei Monate später, mitten im August, von dem Musiker auf
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