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Die Ungehorsame Historischer Roman

Titel: Die Ungehorsame Historischer Roman
Autoren: Andrea Schacht
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gewaltiger Brand gewütet, der ein Viertel der Stadt zerstört hatte. Auch hier waren fünfzig Menschen ums Leben gekommen.
    Er legte die Zeitung nieder, um einen Schluck Kaffee zu nehmen. Dabei sah er seinen Freund Ernst sich seinen Weg durch die Caféhaustische bahnen. Mit leichtem Amüsement stellte er fest, dass ihm die verstohlenen Blicke der anwesenden Damen folgten. In seiner schwarzen Uniform mit den roten Aufschlägen, wie sie die Soldaten des Regiments Lützow traditionell trugen, bot er aber auch ein beeindruckendes Bild. Er winkte ihm dezent zu, und Ernst trat an seinen Tisch.
    »Ah, Hendryk, wie geht es dir?«
    »Nicht zu schlecht. Es wird wieder Ärger mit den Bahngegnern geben. Und mit euch auch.«
    »Hab schon gehört. Wegen des Mauerdurchstichs.«
    Ernst bestellte seinen Kaffee, und eine Weile befassten die beiden sich mit den aktuellen Nachrichten. Dann aber fragte der Leutnant: »Und wie geht es deiner Frau, Hendryk?«
    »Vermutlich gut.«
    »Wie es sich für einen frisch verheirateten Mann gehört, eine geradezu enthusiastische Antwort.«
    »Wenn sie dir nicht gefällt, frag nicht.«
    »Ich frage doch, denn du kennst meine Haltung zu dem Thema.«
    »Ja, du billigst mein Verhalten nicht.«
    »Nein. Sie ist eine nette Person, die mehr als diese Scharade verdient hat. Du ziehst sie da in etwas hinein, das mit ihr nichts zu tun hat.«
    »Ich werde sie auch daraus wieder entlassen, Ernst. Selbst unter Aufopferung meines untadeligen Rufes. Keine Sorge. Aber im Moment ist es so am besten.«
    Sehr leise, sodass nur Hendryk es hören konnte, fügte Ernst aber hinzu: »Deine Mutter würde es gewiss nicht gutheißen.«
    »Lass meine Eltern aus dem Spiel!«, flüsterte Hendryk ebenso
lautlos zurück, und es hörte sich an wie ein bösartiges Zischen. Ernst ignorierte es und fragte in normaler Lautstärke nach: »Hättest du etwas dagegen, wenn ich euch gelegentlich besuche?«
    »Du auch noch! Himmel, gerade hat von Alfter mir angedroht, uns samt seinem Weib heimzusuchen. Wir haben noch keinen Besuchstag!«
    »Nun ja, Alfter ist ein Polterer, aber im Kern ganz liebenswürdig. Seine Gemahlin ist das, was du zu fürchten hast.«
    »Ja, sie hat genauso viel Stroh im Kopf wie falsche Locken darauf. Und würde Leonora durch die gesamte Gesellschaft schleifen.«
    »Und wenn schon? Sie wird etwas Abwechslung brauchen, Hendryk.«
    »Sie hat das Haus und die Kinder. Aber du bist in meinem Heim natürlich immer ein gern gesehener Gast. Komm, wann immer du willst. Frau Jette ist eine passable Köchin.«
    Ein weiterer Offizier nickte Ernst zu, und er erhob sich, um mit dem Kameraden einige Worte zu wechseln. Hendryk ließ er nachdenklich zurück. Die beiden Hinweise auf die Besuchsgepflogenheiten der guten Gesellschaft machten ihm klar, dass er da in seiner Planung ein weiteres Detail übersehen hatte. Natürlich musste er als verheirateter Mann mit seiner Frau zusammen einen gewissen gesellschaftlichen Umgang pflegen, wollte er nicht einflussreiche Leute verärgern. Es missfiel ihm jedoch außerordentlich, denn damit würde er seine wohl gepflegte Anonymität aufgeben. Aber möglicherweise fiel ihm dazu eine Lösung ein.
    Was sehr viel unangenehmer an seinem Gewissen nagte, war der Hinweis auf die Missbilligung seines Verhaltens durch seine Mutter.

Ihr Alltag
    GUTE HAUSWIRTSCHAFT IST EINES DER NOTWENDIGSTEN
STÜCKE ZUR EHELICHEN GLÜCKSELIGKEIT.
    Freiherr von Knigge: Von dem Umgange unter Eheleuten
     
     
    Leonie saß im Wintergarten, ein aufgeschlagenes Buch auf dem Schoß, und blickte auf die grünenden und blühenden Gärten hinaus, die sich erstaunlich großzügig hinter der Front der Häuser erstreckten. In den Zweigen der Bäume und Büsche tschilpten die unterschiedlichsten Singvögel, ein Eichhörnchen floh schimpfend vor einer schlanken, schwarzen Katze, die ihm in einem kühnen Sprung von der Mauer zum Nachbargrundstück nachsetzte. Eine Wolke Spatzen erhob sich daraufhin mit Gezeter und schwang sich in die blaue Luft auf.
    Ihr Interesse an dem sicher sehr lehrreichen Buch über den Umgang mit Menschen, das der Freiherr von Knigge vor nunmehr fünfzig Jahren herausgegeben hatte, und das weder an Witz noch Weisheit und auch nicht an Frische verloren hatte, war erlahmt. Sie sann über den sie mehr persönlich betreffenden Umgang mit den Menschen ihres neuen Umfelds nach.
    Einerseits war sie erleichtert, denn ihre allerschlimmsten Befürchtungen waren bisher noch nicht eingetreten. Ihr Gatte zeigte sich
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