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Die Unbefleckte Empfängnis (German Edition)

Die Unbefleckte Empfängnis (German Edition)

Titel: Die Unbefleckte Empfängnis (German Edition)
Autoren: Gaétan Soucy
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dort auch zu publizieren. Der Hauptmann hörte ihr höflich zu. Die Namen, die sie nannte, und sie ließ keinen aus, sagten ihm nichts, sie klangen wie ein Trommelfeuer. Clémentine ging das Herz auf. Der Wein war wirklich köstlich. Er erregte Clémentines Fantasie wie auch ihre Sinne: Wie schön der Hauptmann doch war!
    In ihrem Überschwang stieg sie so hoch, dass sie auf ihrem Sitz zu schwanken begann. Sie hielt inne. Der Hauptmann fragte sie, ob alles in Ordnung sei. Sie bejahte, aber die Lider wurden ihr schwer.
    »Ich weiß nicht. Vielleicht der Alkohol … (Sie lachte betrunken.) Ich bin plötzlich so müde. Wie dumm.«
    »Das geht vorbei. Wir gehen einfach ein paar Schritte.«
    Sie ließ sich an seine muskulöse Brust drücken, legte den Kopf auf seine Schulter, es war schön, so ganz schlaff an etwas so Festem zu lehnen, das Glück der Krake, die die Koralle umarmt. Sie gingen umschlungen über den Flur.
    »Ich bin glücklich«, hauchte sie. »Ich habe auf dich gewartet.«
    Der Hauptmann beugte seinen parfümierten Schnäuzer über sie und setzte einen langen Kuss auf ihre Lippen. Sie schauderte und hätte beinahe den Boden unter den Füßen verloren.
    »Komm«, flüsterte er und zog sie in Richtung Schlafzimmer.
    Clémentine machte sich los: Plötzlich war ihr furchtbar übel. Sie schloss sich in der Toilette ein. Sie fühlte sich, als wäre sie vier Meter groß, sie sah ihre Füße, ihre Hände, als würde sie durch das breite Ende eines Fernglases schauen. »Wie lange bin ich schon hier?«, dachte sie. Dann begriff sie, dass es vierzig Minuten sein mochten – oder sieben Sekunden. Ihr war heiß, sie klapperte mit den Zähnen. Sie löste ihren Rock: Er glitt ihre Schenkel und Waden hinab in einem schwindelerregenden Fall, der unendlich lange dauerte. Sie trug nur noch ihre Bluse, sie war von der Taille bis zu den Füßen nackt. Hatte sie sich ausgezogen? Ja, aber wann? Sie saß auf dem Porzellan des Toilettenbeckens: Sie hatte vergessen, die Brille herunterzuklappen. Sie spürte, wie sie sich entfernte, wie sie beinahe in Ohnmacht fiel. Die Toilettentür war sperrangelweit auf, der Hauptmann stand vor ihr – wie lange schon? Er wirkte so fern. Clémentine saß nacktauf dem Becken. Er nahm sie auf die Arme wie seine frisch vermählte Gattin. Sie lag in ihrem Bett. Sie stöhnte mit sanfter, kindlicher Stimme: »Ich will nicht schlafen.« Ein Krampf durchzog ihren ganzen Körper, als er sich auf sie legte. Sie versuchte, sich zu befreien, aus dem Bett zu rollen, fuchtelte wie eine Ertrinkende. Dann gehorchten ihr die Glieder nicht mehr. In einem letzten Schwindel gab sie ihren Körper hin, spürte kaum das plötzliche Brennen zwischen den Beinen. Das Brennen wurde milder, wurde tiefe Wärme. Noch widersetzte sie sich ihrer Schläfrigkeit. Aber das Verlangen nach Schlaf selbst trug zu ihrem Glücksgefühl bei. Just als die letzten Kräfte sie verließen, entfuhr ihrem Mund ein »Ich liebe dich«. Sie fiel in einen Schlaf, dumpfer als der Tod.
    Sie träumte viel und schlecht, von Fieber begleitet. Sie war in den tiefsten Tiefen des Schlafes angekettet zwischen Geräuschen, zitternden Lichtern, Dunstkreisen, die offenbar vergeblich versuchten, sich zu verschwommenen Formen zusammenzufügen. Schließlich weckte sie die Kälte. Das Fenster ihres Schlafzimmers stand sperrangelweit auf. Der Wind hob die Vorhänge. Es war früher Morgen.
    Schlotternd stieg sie aus dem Bett. Sie wankte ans Fenster, schloss es, dann suchte sie in allen Zimmern nach dem Hauptmann und rief dabei seinen Namen. Er war gegangen. Clémentine ließ sich auf das Fußende des Bettes fallen, stieß einen kurzen, überraschten Schrei aus: ein letzter Rest Samen rann ihren Schenkel hinunter.
    Sie lief auf und ab, sagte sich, dass es ihre Bestimmung war, in der Küche im Kreis zu laufen. Sie war sich sicher, dass sie alles verdorben hatte, dass sie ihre letzte Chance vergeben hatte. Der Hauptmann würde nie wiederkommen.
    Auf dem Küchentisch steckte zwischen Senftopf und Zuckerdose eine Nachricht für sie. Plötzlich, nachdem sie schon dreimal daran vorbeigegangen war, sah sie den Zettel und blieb erstarrt stehen. Sie ahnte, dass in ihrem Zustand jedes kleinste verletzende Wort schlimmer wäre als der Tod. All ihre Ängste, all ihre Hoffnung hatten sich auf die Größe dieses Stücks Papier zusammengezogen. Sie streckte zitternd die Hand aus.
    Danke für den schöhnen Abend. Ich wolte dich nicht wecken, als ich gegangen bin. Ich habe dir lange
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