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Die Ueberbuchte

Die Ueberbuchte

Titel: Die Ueberbuchte
Autoren: Doris Rawolle
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nicht darauf.

    Vom Gehörten hellhörig geworden, beobachtete Knut in Zukunft seinen Schwager mit kritischeren Augen. Denn ob er wollte oder nicht, aber Dagmars Befürchtungen gingen ihm nicht aus dem Sinn. Sie hefteten sich an ihm, trotz anhaltenden Widerspruchs. So war es nur allzu verständlich, dass er, um seiner Schwester willen, auch die lapidarste Befürchtung ein für alle Mal auszuschalten versuchte.
    So wie der Tag begonnen hatte, so endete er auch. Neblig, trüb und grau.
    Erst am nächsten Tag, den vorletzten Tag seines Aufenthaltes auf Sylt, hob sich gegen Abend der Wind, und schwoll über Nacht zum kräftigen Sturm an. Der Regen klatschte in Streifen gegen das Fenster und der Sturm rüttelte unbarmherzig an allem was nicht hundertprozentig befestigt war, so dass Knut sich schließlich bemüßigt fühlte, das angekippte Fenster zu schließen. Dabei versuchte er mit angestrengten Blick die triefenden Schlieren an den Fensterscheiben zu durchbohren, um etwas von der unheimlichen Gewalt da draußen zu erkennen, doch nichts, nicht den leisesten Schimmer – nur dunkle, wild heulende Nacht, die hin und wieder durch grell aufzuckende Blitze zerrissen wurde. Wobei das ferne Donnergrollen häufig im rumorenden Getöse der See unterging.
    Es war unmöglich Schlaf zu finden. Allein schon die Gewissheit des geschlossenen Fensters, löste bei ihm eine schier beängstigende Unruhe aus – es beengte ihn und verursachte eine scheinbare Atemnot.
    Jedoch, irgendwann im Laufe der stürmischen Nacht musste er dann doch eingeschlafen, oder besser gesagt, eingedöst sein. Denn als er am anderen Morgen, ziemlich unausgeschlafen, mit Kopfschmerzen, träge und einer direkt unschönen Lustlosigkeit aufwachte, hörte er in unverminderter Stärke die aufgewühlten Wogen gegen das Gestade donnern. Und wie er von früher her wusste, vielerorts ein geschundenes Gestade zurückließ. Schließlich aber bemerkte er das geschlossene Fenster, und allein diese Tatsache reichte aus, um seine schläfrige Trägheit zu vertreiben. Er stand sofort auf, und schob mit schnellen Griff den lichtundurchlässigen Vorhang zurück, um das Fenster weit zu öffnen. Was war denn das? Tiefstes Erstaunen ließ ihn verharren. Diese Helligkeit …! Direkt grell …! Fasziniert starrte er auf die weiß schäumenden Wellenkämme. Der Sturm hatte also ganze Arbeit geleistet. Im reinsten klaren Blau, nur von vereinzelten, schneeweißen Kumuluswolken bevölkert, zeigte sich der Himmel wie ein von Meisterhand skizziertes, heiteres Bild. Der Sturm hatte sich in einem sanften, friedfertigen Wind verwandelt, und nur die aufgepeitschte See, zeugte vom zähen nächtlichen Kampf.
    Er dehnte seinen Körper und atmete tief durch. Die frische Brise tat gut – außerordentlich gut. Auch wenn der auflandige Wind noch immer ziemlich frische Meeresluft mit sich führte, eben ein Merkmal des Frühjahrs, da das Wasser noch zu sehr die winterliche Kälte abstrahlte. Was leider auch die häufigen Nebel verursachte, an die er sich höchst ungern erinnerte, weil sein Vater dann unter schwerster Atemnot litt. An diesem Morgen jedoch hatte der Nebel keine Chance.
    »Knut, wenn du willst, kannst du Ernst am Bootssteg aufsuchen«, rief Dagmar ihm von der Küche aus zu.
    Knut blieb an der Tür stehen. »Der Sturm hat wohl einigen Schaden angerichtet?«
    »Ja, wahrscheinlich. Aber es muss sowieso einiges erneuert werden«, fügte sie ohne von ihrer Arbeit aufzusehen hinzu.
    »Gut, dann gehe ich mal.«
    Sie nickte, und er verließ das Haus.
    Sobald er die kleine Bucht erreicht hatte, sah er Ernst am Ende des Bootsstegs mit angezogenen Beinen sitzen. Er sah auf die wogende See hinaus. So zuckte er auch leicht zusammen, als Knut ihn von hinten her ansprach: »Der Schaden scheint sich wohl in Grenzen zu halten?«
    Mit schräg geneigten Kopf blinzelte er zu ihm auf und sagte gelassen: »So wild war es ja auch gar nicht …« Ohne noch weiter von ihm Notiz zu nehmen oder ihn gar zum Sitzen aufzufordern, rückte er nur stumm zur Seite.
    Knut aber setzte sich seitlich nieder, so dass die Beine den Bootsrand berührten.
    Vollkommen im Anblick der hohen aufschäumenden Wellen versunken, schienen sie die Gegenwart des anderen vollkommen vergessen zu haben.
    Erst nach einiger Zeit hörte Knut seinen Schwager unvermutet sagen: »Es gibt nichts Erhabeneres als die stürmische See.«
    Knut lächelte. Er sah mit zusammengekniffenen Augen zum blanken Himmel hinauf, dann erst erwiderte er stockend: »Ja,
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