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Die Tuchhaendlerin von Koeln Roman

Titel: Die Tuchhaendlerin von Koeln Roman
Autoren: Karina Kulbach-Fricke
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ist viel zu feinfühlig, um das nicht zu bemerken. Sie will ihn ganz. Und sie hat ihn eben nicht. Was kann ihr nur helfen?«
    »Die Zeit allein«, meinte Tante Engilradis. Und dann holte sie doch ein feines Hemd von Onkel Fordolf aus ihrem Korb und begann, den Saum zu flicken.
    Ich blieb still in meinem Versteck liegen und dachte darüber nach. Aber ich kam nicht hinter das Geheimnis zwischen Mann und Frau, warum das eine Paar in inniger Harmonie leben konnte und ein anderes nicht. Schließlich schlief ich ein.
     
    Bald darauf geschah das Unglück: Friederun stürzte die Treppe hinab und brach sich den Hals. Es geschah nach einem Fest bei Tante Engilradis, und wir waren alle sehr lustig gewesen, nur Constantin nahm seiner Frau dauernd den Becher weg, und sie wehrte sich lachend dagegen. Als er schließlich mit ihr heimging, stolperten sowohl ihre Zunge wie auch ihre Füße, aber sie lachte noch immer. Constantin hingegen lachte nicht, und in der Nacht hämmerte er plötzlich bei uns an die Tür, um meinen Vater zu Hilfe zu holen. Bei ihrem Begräbnis war Constantin wie versteinert, und sofort danach reiste er wieder zu Erzbischof Rainald.
    Friederun war eine so schöne, witzige, lebenssprühende Frau und ihren Kindern Druda und Helperich eine solch liebevolle Mutter gewesen. Ich habe damals nicht begriffen, was sie in den frühen Tod getrieben hat. Heute bin ich klüger und weiß, was es für herrliche und schreckliche Dinge zwischen Mann und Frau geben kann.

    Im Jahr darauf veränderte sich mein Unterricht. Noch immer lernte ich fleißig alles, was ich über den Handel bei meinen Eltern, Großvater, den Onkeln und Vettern aufschnappen konnte; aber im Haushalt hatte ich nun wenig zu tun. Statt dessen achtete Mutter nun noch mehr als früher darauf, daß mein Äußeres stets tadellos war. Bei uns wie auch bei Tante Engilradis waren die Ausgaben für Seife und für Zahnpulver beträchtlich, die Badehütte wurde jede Woche geheizt, und alle Familienangehörigen und auch das Gesinde hatten zu baden, ob sie das nun gern wollten oder nicht, denn beide Hausfrauen glaubten fest daran, daß Reinlichkeit die beste Methode war, sich gesund zu erhalten.
    »Weißt du«, hatte mir Tante Engilradis einmal erklärt, »ich gehe doch oft zu armen kranken Frauen und helfe ihnen aus, bis sie wieder auf den Beinen sind. Du glaubst nicht, was ich dort oft für Schmutz vorfinde. Und wo Schmutz ist, da ist auch Krankheit.«
    Tatsächlich schien es mir, daß unsere Familie weniger von Läusen und Flöhen geplagt war als andere.
     
    Mutter kaufte mir nun beim Krämer Salben für Gesicht und Hände und sparte dabei nicht. Jeden Abend kämmte sie mir sorgfältig die langen braunen Locken. »Mutter, hast du auch genug Zeit, um sie so mit mir zu vertändeln?« spöttelte ich. Aber sie antwortete ganz ernsthaft: »Ich habe immer genug Zeit, um dich auf das Leben vorzubereiten.«
    Du mußt wissen, mein liebes Kind: Meine Mutter war eine außergewöhnliche Frau. Ich meine damit nicht nur ihre Kenntnisse und Fähigkeiten. Ich erzählte dir ja schon, daß sie eine großartige Kauffrau war. Aber sie hatte noch mehr. Sie war eine große Persönlichkeit, und dabei so ausgeglichen. Sie strahlte ein hohes Maß an Ruhe, Sicherheit und Freundlichkeit aus. Ich aber war ein quecksilbriges Mädchen und immer auf der Suche, wenn du verstehst, was ich meine.

    Wie bitte? Du meinst, auch ich sei euch Kindern immer eine vortreffliche Mutter gewesen?
    So denkst du über mich? Ach, meine Methildis, damit machst du mich sehr glücklich. Solch ein Wort von einer Tochter stimmt jede Mutter froh.
     
    Ich erinnere mich, daß ich Jahre zuvor einmal an einer schwierigen Handarbeit stichelte. Mein Bruder Hildebrand lebte damals noch, und ich hatte mir in den Kopf gesetzt, ihm ein Band mit winzigen Röschen zu besticken, das sollte er um sein Handgelenk binden. Hildebrand hatte Freude an so etwas. Aber das Muster war zu schwer für mich, die Fäden verknoteten sich, die winzige Nadel stach in meine Finger. Ich setzte an zu einem wilden Fluch, würgte ihn aber schnell wieder ab, weil Mutter im Zimmer war. Erschrocken blickte ich auf, ob sie mich jetzt tadeln würde. Aber Mutter sah mich nur an mit ihrem sanften Lächeln und schüttelte ganz sachte den Kopf. Dann stand sie auf, anmutig wie immer, kam zu mir und nahm mir die mißhandelte Näharbeit aus der Hand. Im Nu hatte sie die Knoten entwirrt und die schwierige Stelle in Ordnung gebracht. Dann gab sie mir das Band
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