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Die Tuchhaendlerin von Koeln Roman

Titel: Die Tuchhaendlerin von Koeln Roman
Autoren: Karina Kulbach-Fricke
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Liveradis kamen mit ihren Kindern, das Haus war voll.
     
    Ich saß stolz, aber auch etwas verlegen zwischen meinen Eltern auf dem Ehrenplatz und schielte gelegentlich sehnsüchtig zum Tischende hinunter, wo die Kinder ihren Spaß miteinander hatten und immer lauter wurden, bis einer der Erwachsenen sie zurechtwies. Dann waren sie kurze Zeit leiser, bis es wieder von vorne losging.
    Ich nahm mich zusammen. Mit meinen zwölf Jahren war ich kein Kind mehr, und jetzt schickte es sich nicht mehr für mich, mit den Kleinen zu spielen. Dieses Fest war mein erster Schritt auf dem Weg ins Erwachsenenleben.
    »Großvater«, wandte ich mich an Eckebrecht, der neben Vater saß und gerade mit Genuß ein Hühnerbein abnagte, »bleibt es dabei, daß du nächste Woche nach Neuß fährst?« Großvater nickte. Er machte kaum noch Handelsfahrten, höchstens einmal eine ganz kurze, denn er hatte die siebzig schon überschritten und arbeitete fast nur noch im Kontor.
    »Nimmst du mich mit?« fragte ich hoffnungsvoll.
    Großvater sah mich erfreut an. »Aber gern«, sagte er bereitwillig.
    »Darf ich dann auch die Fracht berechnen und die Verladung beaufsichtigen?« wollte ich weiter wissen. Dies hatte ich in den letzten Monaten so oft auf der Tafel geübt, daß es wie am Schnürchen ging, und ich hatte große Lust, meine neuen Künste einmal in Wirklichkeit auszuprobieren.
    Großvater nickte mir anerkennend zu. »Wenn du mir zum Schluß noch einen prüfenden Blick erlaubst, dann können wir das so machen«, sagte er freundlich.
    Das war auch nach meinem Sinne. »Gut. Ich muß mich
ja langsam darauf vorbereiten, in Zukunft auch allein zu reisen«, sagte ich zufrieden.
    Da fiel Großvater das Hühnerbein aus der Hand. »Wie bitte?« fragte er und sah mir direkt ins Gesicht. »Ich höre wohl nicht recht. Es kommt selbstverständlich überhaupt nicht in Frage, daß du eines Tages alleine Handelsfahrten unternimmst.«
    Ich war so verblüfft, daß mir die Luft wegblieb. »Aber, Großvater«, stammelte ich, »ich weiß natürlich, daß mir noch vieles fehlt, aber in ein paar Jahren …«
    »Da hast du irgendetwas gründlich mißverstanden. Auch in ein paar Jahren wirst du keine Handelsreisen allein machen, denn dann bist du immer noch ein Mädchen oder eine junge Frau, darum kommt es überhaupt nicht in Frage.«
    »Aber wozu habe ich denn dann die letzten sechs Jahre soviel gelernt?« rief ich verzweifelt.
    »Um deinem späteren Ehemann, der sicher ein bedeutender Handelsherr sein wird, nach Kräften behilflich sein zu können, natürlich«, sagte Großvater unerbittlich.
    Mir stiegen die Tränen in die Augen. In der großen Stube war es ganz still geworden, alle starrten zu uns herüber, auch die Kinder und das Gesinde.
    »Aber meine Mutter ist doch auch eine selbständige Kauffrau«, presste ich noch hervor.
    »Und geht sie etwa allein auf Handelsfahrt?« fragte Großvater mit hochgezogenen Augenbrauen.
    Nein, das tat meine Mutter nicht. Aber ich hatte immer gedacht, sie hätte es nur wegen Hildebrand und mir unterlassen.
    Mit großer Mühe nahm ich mich zusammen und bat mit zitternder Stimme: »Dann sag mir aber doch wenigstens, warum!«
    Etwas sanfter, aber doch mit Ungeduld in der Stimme erklärte Großvater: »Mädchen und Frauen gehen nicht
allein auf Fahrt, weil es zu gefährlich ist. Sie haben nicht die Körperkraft von Männern, sie können weniger gut Hitze und Kälte, Schlaf auf der nackten Erde und gelegentlich auch Hunger ertragen. Sie können Räubern und Seeräubern nicht standhalten. Ich möchte dir nicht weiter ausmalen, was dir alles zustoßen könnte. Darum wirst du Handelsfahrten nur auf ungefährlichen Strecken und in Gesellschaft deiner männlichen Verwandten unternehmen.«
    Er fügte noch hinzu: »Ich wundere mich, daß man dir so etwas überhaupt erklären muß.« Dabei warf er meiner Mutter einen vorwurfsvollen Blick zu, die das aber gelassen übersah.
    Ich war ganz niedergeschlagen, und die Freude an meinem Fest war mir gründlich verdorben.
     
    Übrigens mußt du nicht etwa denken, ich hätte den ganzen Tag Zeit für meine Studien gehabt. Oh nein! Natürlich achtete meine Mutter darauf, daß ich alles, aber auch wirklich alles erlernte, was eine Hausfrau wissen muß. »Ein Haushalt ist wie ein Geschäft: Du kannst ihn nachlässig leiten, dann wird viel vergeudet und verderben, und die Not steht jederzeit vor der Tür. Du kannst ihn auch wie am Schnürchen führen, mußt dann aber deine Augen überall haben, morgens
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