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Die Triffids: Roman - Mit einem Vorwort von M. John Harrison (German Edition)

Die Triffids: Roman - Mit einem Vorwort von M. John Harrison (German Edition)

Titel: Die Triffids: Roman - Mit einem Vorwort von M. John Harrison (German Edition)
Autoren: John Wyndham
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beschränkte sich aufs Zuhören; ich hatte im Bett gelegen und mir den ganzen Abend die Augenzeugenberichte über ein Himmelsphänomen anhören müssen, das als das ungewöhnlichste seit Menschengedenken bezeichnet wurde.
    Seltsam war, dass vorher noch niemand ein Sterbenswort über den angeblichen Kometen oder Kometenrest gehört hatte.
    Warum die Radioübertragung stattfand, weiß ich nicht; ohnedies war jeder, der gehen, humpeln oder getragen werden konnte, draußen oder an den Fenstern, um das großartigste Gratisfeuerwerk aller Zeiten zu bewundern. Auf mich wirkte die Sendung deprimierend, ich fühlte mit grausamer Klarheit, was es hieß, nicht sehen zu können. War die Behandlung erfolglos geblieben, dann schien es mir fast besser, ein Ende zu machen, als so weiterzuleben.
    Schon tagsüber war gemeldet worden, dass man in der vorangegangenen Nacht rätselhafte grüne Blitze und Lichterscheinungen über Kalifornien beobachtet hatte.
    Dann kamen aus dem ganzen pazifischen Raum Berichte über einen grünen Lichtregen, der die Nacht erhellt hatte, ungeheure Meteoritenschwärme waren gefallen, manchmal, so hieß es, in einer solchen Anzahl, dass es schien, als stürze der Himmel herab; und er stürzte ja auch wirklich herab, wie sich später herausstellte.
    Als die Nacht westwärts rückte, hielt das Funkeln am Himmel unvermindert an. Schon vor dem Einbruch der Dunkelheit wurden vereinzelt grüne Lichtblitze sichtbar. In den Sechs-Uhr-Nachrichten kündigte der Radiosprecher ein herrliches Schauspiel an, das man keinesfalls versäumen sollte. Er erwähnte auch, dass das Himmelsphänomen den Kurzwellenempfang störe, aber der Langwellensender mit der laufenden Berichterstattung davon unbeeinträchtigt sei, ebenso wie der Fernsehempfang. Es hätte dieser Aufforderung gar nicht bedurft. Im Krankenhaus waren alle so aufgeregt, dass sich wohl niemand dieses Schauspiel hatte entgehen lassen – außer mir.
    Als sei es mit den Radioübertragungen nicht genug, musste ich, als die Schwester mit dem Abendessen kam, auch ihren Augenzeugenbericht über mich ergehen lassen.
    »Der Himmel ist voller Sternschnuppen«, sagte sie. »Alle hellgrün, ein förmlicher Regen. Die Leute haben dabei ganz fahle Gesichter. Alles ist auf den Beinen. Manchmal ist es taghell, nur die Farben sind anders. Und manchmal ist das Licht so grell, dass es einem in den Augen wehtut. Aber der Anblick ist wunderbar. Etwas noch nie Dagewesenes, heißt es. Schade, dass Sie es nicht sehen können.«
    »Schade«, antwortete ich etwas kurz.
    »Wir haben die Vorhänge zurückgezogen, damit alle hinaussehen können«, fuhr sie fort. »Sie hätten einen wunderbaren Ausblick von hier aus, ohne Ihren Verband.«
    »Aha«, sagte ich.
    »Aber draußen muss es noch viel schöner sein. In den Parks und auf den Grünanlagen sollen Tausende zusammengeströmt sein, um den Himmel zu beobachten. Und auf jedem Flachdach stehen Leute und schauen nach oben.«
    »Was glauben Sie, wie lange das noch weitergeht?«, fragte ich geduldig.
    »Ich weiß es nicht, aber es soll schon nicht mehr so hell sein, wie es anderswo war. Doch selbst wenn Ihr Verband schon heute abgenommen worden wäre, hätten wir Ihnen nicht erlauben können zuzuschauen. Sie müssen Ihre Augen anfangs noch schonen, und manche Blitze sind sehr grell. Sie – oh!«
    »Was ›oh‹?«, fragte ich.
    »Das war so hell – das ganze Zimmer war in grünes Licht getaucht. Wie schade, dass Sie das nicht sehen konnten.«
    »Sie sagen es«, stimmte ich zu. »Jetzt seien Sie so gut und lassen mich allein.«
    Ich versuchte Radio zu hören, aber auch da gab’s die gleichen »Ahs« und »Ohs«, umrahmt von blödem Gequatsche über das »wundervolle Schauspiel« und das »einzigartige Phänomen«, bis ich schließlich das Gefühl hatte, die ganze Welt feiere eine Party, und ich sei als Einziger nicht dazu eingeladen.
    Ich hatte nicht die Wahl, auf einen anderen Sender umzuschalten, denn das Krankenhaus bot nur ein Radioprogramm an, nach dem Motto Friss, Vogel, oder stirb. Etwas später kam die Durchsage, dass die Erscheinung im Abflauen sei. Der Sprecher empfahl Eile, denn wer dieses Schauspiel versäumt habe, würde es sein Leben lang bedauern.
    Es war, als sollte mir die Überzeugung eingehämmert werden, dass ich um das Hauptereignis meines Lebens gekommen sei. Schließlich reichte es mir, und ich schaltete ab. Das Letzte, was ich hörte, war, dass das Phänomen nun schnell dahinschwand und wir uns binnen weniger Stunden
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