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Die Totengräberin - Roman

Die Totengräberin - Roman

Titel: Die Totengräberin - Roman
Autoren: Sabine Thiesler
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Kopf drehte sich alles. Hatte Gabriella also mal wieder recht gehabt.
    Alfonso sah Neri fassungslos an. »Vaffanculo«, brummte er, »das ist der größte Hammer, den ich in meiner Laufbahn je erlebt habe.«
    Den Eindruck hatte Neri auch. »Das ist Signore Tillmann«, sagte er.
    »Signore Tillmann?« Alfonso kniff die Augen zusammen und runzelte die Stirn. »Der, den die Signora vor sechs Wochen als vermisst gemeldet hat?«
    Neri nickte zaghaft.

    »Sag mal, Neri«, Alfonso gab ihm einen aufmunternden oder abfälligen Schlag auf den Rücken, »auf welchem Stern lebst du eigentlich? Das Handy von dieser Leiche hätte ich auch gerne, das einen Akku hat, der sechs Wochen durchhält! Du glaubst, dass der Signore Tillmann hier sechs Wochen vergraben liegt, munter telefoniert und dann noch so frisch aussieht wie dieser Tote hier? Den Umständen entsprechend ein bisschen blass, aber mehr auch nicht? Das glaubst du im Ernst, Kollege?«
    Dass er mal wieder die falschen Schlüsse gezogen und Unsinn erzählt hatte, begriff Neri jetzt auch. Aber er sagte nichts und rechtfertigte sich nicht. Es hatte ja alles keinen Sinn.
    Einen Moment atmete Alfonso tief durch. Dann zeigte er auf das zweite Olivenbäumchen. »Guck mal, Kollege, da ist noch so ein Billigbaum von Ipercoop. Wollen wir doch mal sehen, ob hier System in der Sache ist und ob wir vielleicht wirklich einen Signore Tillmann finden.«
    Er nahm Neri den Spaten aus der Hand und fing bei dem anderen Olivenbaum an zu graben.
    Es war ähnlich wie bei der ersten Leiche. Zuerst legte er den Plastiksack, dann den Kopf des Opfers frei. Allerdings war das Plastik über dem Gesicht bereits völlig zerfetzt.
    »Guck mal einer an«, meinte Alfonso, »da sind wir nicht die Ersten, die eine grausige Entdeckung machen. Irgendein Mitbürger oder ein Rudel Wildschweine waren schon vor uns da. Und siehst du das, Neri?« Neri würgte. »Nein, guck hin. Mach jetzt nicht schlapp! Der ist schon erheblich verwest. So wie es sich gehört, wenn man sich wochenlang die Radieschen von unten ansieht. Mit großer Wahrscheinlichkeit hast du hier die Leiche von deinem Signore Tillmann. Aber wer der andere ist, wissen die Götter.«

    Alfonso setzte sich auf einen Stein. Er war vollkommen erschöpft. »Ruf Verstärkung, Neri«, sagte er, »jetzt brauchen wir Leute, die den gesamten Garten umgraben, ganz sorgfältig, Stück für Stück. Und die Spurensicherung muss auch kommen. Und zwar sofort. Wir dürfen hier nicht weiter an den Leichen herumfummeln.«
    Neri nickte und tätigte die erforderlichen Anrufe. Vielleicht die schwersten seiner Amtszeit. Dabei erinnerte er sich daran, dass er unlängst hier an dieser Stelle schon einmal gestanden hatte, mit einer Hacke in der Hand. Er hatte keine Lust gehabt, das Olivenbäumchen neu einzupflanzen. Gartenarbeit war ihm zuwider, und darum hatte er eigentlich nur rumgestanden und sich mit Massimo unterhalten. Schließlich war die Signora gekommen, und sie hatten mit der Arbeit aufgehört.
    Warum hatte er bloß nicht gegraben? Wenn er die Leiche von Signore Tillmann gefunden hätte, hätte sich wahrscheinlich sein ganzes Leben verändert. Aber nein, er wollte sich die Hände und seine blank geputzten Schuhe nicht schmutzig machen und hatte es mal wieder vermasselt.
     
    Man fand insgesamt drei Tote, und die Bevölkerung des Valdarno stand unter Schock.
    Die Leiche in der Klärgrube wurde relativ schnell als Stefano Topo, florentinischer Literatur- und Theaterkritiker, identifiziert, den bisher noch niemand vermisst hatte. Die anderen beiden Leichen wurden eindeutig als Johannes und Lukas Tillmann identifiziert.
    Alfonso wurde wie ein Held gefeiert. Er hatte die Leichen entdeckt und den Fall gelöst. Und er bekam sogar das Angebot, eine Stelle in Rom anzutreten.
    »Ach du meine Güte«, sagte er zu Neri, »was soll ich
denn in Rom? Nur weil ich die Leichen ausgebuddelt habe, wollen die mich von zu Hause weglocken? Niemals! Hier fühle ich mich wohl, hier bleibe ich auch. Rom ist ja wohl das Letzte!«
    Neri schluckte, und sein Gesicht glühte. Zum Glück hatte Gabriella nichts von dem gehört, was Alfonso gesagt hatte, und sie würde es auch nie erfahren.
    Vielleicht war das seine allerletzte und allergrößte Chance gewesen. Er hatte sie nicht genutzt, und Rom lag mehr denn je in unerreichbarer Ferne.

80
    Signora Tillmann, die angab, von allen drei Leichen auf ihrem Grundstück nichts gewusst zu haben, wurde ins Staatsgefängnis nach Florenz gebracht. Obwohl sie
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