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Die toten Mädchen von Villette

Die toten Mädchen von Villette

Titel: Die toten Mädchen von Villette
Autoren: Ingrid Hedström
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hatte er sich der schüchternen, kleinen Abteilung der französischen Kommunistischen Partei in Philippeville angenähert. Jacques Thibault war Sozialist gewesen, oder? Eine Zeitlang hatte er zum Weltbild seines Vaters tendiert, aber Maurice de Wachter war im Morgengrauen erschossen und in einem anonymen Grab ohne Trauernde begraben worden, und Roger de Wachter war Jacques Frémont geworden, ein verwegener Rebell, der gegen Krieg und Unterdrückung und alles Elend der Welt aufstand.
    Marcel Doumecq, sein Pflegevater, war nicht einverstanden gewesen, als Philomène entschieden hatte, den Sohn ihrer Schwester und des Nazikollaborateurs aufzunehmen, das hatte er verstanden. Das Lächerliche war, daß Marcel in seiner Art, die Welt zu sehen, Maurice so ähnlich war. Der einzige Unterschied war, daß Marcel Deutsche haßte.
    Er war noch keine zwei Jahre bei Philomène und Marcel gewesen, als er seinen ersten Simone-Augenblick hatte. Er erinnerte sich noch an Marcelle, ein recht liebes Mädchen, die das Pech hatte, mit ihren blonden Haaren und ihren blauen Augen an Simone zu erinnern. Sie war Simone so ähnlich, als sie sich unten am Strand an die Palme lehnte und zur Sonne lächelte, aber es hatte ihn überrascht, als das Dröhnen seine Ohren füllte und die Zeit stehenblieb und erfühlte, daß er sie töten mußte, bevor sie ihn wieder auslachte. Sie hatte einen Schal um den Hals, der Simones blauem Schal ähnlich war, und er hatte ihn mitgenommen, nachdem er Marcelle erwürgt hatte, es war der, den er danach jedes Mal benutzt hatte. Als Marcelle tot war, hatte er ihr ungeschickt den Slip ausgezogen und ihr ein Stück Holz in den Unterleib gedrückt. Eigentlich hatte er das Teleobjektiv, das Philomène ihm gekauft hatte, benutzen wollen, er hatte schon begriffen, daß er mit der Kamera die Frauen besitzen konnte, aber Marcelle war so eng, obwohl sie schon tot war, daß er es damals nicht geschafft hatte. Aber er hatte sie auf jeden Fall fotografiert, sein erstes Foto in einer Sammlung, die inzwischen so viele Bilder enthielt, daß er nicht ganz sicher war, wie viele Mädchen es gewesen waren.
    Es war unglaublich, wie leicht es gewesen war, die Polizei mit der Erzählung über den dubiosen Araber reinzulegen, der mit wildem Blick und zu Berge stehenden Haaren vom Strand heraufgelaufen kam. Aber er hatte immer den Verdacht gehabt, daß sein Pflegevater etwas geahnt hatte. Marcel hatte ihn nach Marcelles Tod so komisch angesehen, aber die Ehre des Regiments war natürlich wichtiger. Danach war er von den Pflegeeltern weggezogen und hatte einen Job in einem Fotoatelier gefunden, wo er noch mehr vom Fotografieren gelernt hatte.
    Mehrere Jahre später kamen der Aufruhr und Lucie, diese Schlampe, die ihn genau wie Simone abgewiesen hatte, obwohl er mit Leib und Seele für ihre verdammte Revolte eingetreten war. Er hatte Lucie angezeigt, genau wie er Simone angezeigt hatte, mit dem gleichen Gefühl von trauriger Unvermeidlichkeit. Er wußte, daß sie zu Tode gefoltert worden war. Als er das hörte, hatte er einen Orgasmusbekommen, der fast so gut war wie der, den er gehabt hatte, als er sah, wie Simone weggebracht wurde. Diese Orgasmen waren die allerbesten, gar keine Frage.
    Nach Lucies Tod hatte er Algerien verlassen, wieder den Namen gewechselt und mit der Reise nach Ungarn seine wirkliche Karriere begonnen. Ilona in Budapest, Vasso auf Zypern – überall hatte es Frauen gegeben, mit denen er sich angefreundet und die er dann mit Trauer im Herzen und einer Erektion steif wie eine Flaggenstange angezeigt hatte.
    Und dann waren da die Blondinen am Wasser. Ursprünglich hatte er es nur als eine Möglichkeit gesehen, die Erinnerung an Simones Lachen zu beseitigen und eine Art Versöhnung zu erreichen, aber leider kam immer das Dröhnen in den Ohren, bevor sie eine Chance gehabt hatten zu beweisen, daß sie besser waren als Simone, und dann mußte er sie erwürgen. Nach einer Weile wurde es eher wie ein Hobby, eine Möglichkeit, die Spannung zu verringern. Es war nichts, das er zum Vergnügen tat, natürlich nicht, aber wenn der Druck zu stark wurde, war es so leicht, nach einer gutgläubigen Blondine zu suchen, die von dem international bekannten Fotografen beeindruckt war und die Einladung zu einem Picknick am Ufer, bei dem sie ihre glänzenden Zukunftsaussichten diskutieren konnten, gern annahm. Einige von ihnen hätte er wirklich gernhaben können, wie Julia, das Mädchen aus Hannover, das mit ihrem Interesse für Mathematik
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