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Die Tote im Maar - Eifel Krimi

Die Tote im Maar - Eifel Krimi

Titel: Die Tote im Maar - Eifel Krimi
Autoren: emons Verlag
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er schnarchte. Würde ich jetzt auch gern, aber ich sollte die Arbeit an Zelda Krieger beenden.
    Dass ich die Augen für einen Moment geschlossen hatte, musste unbewusst geschehen sein. Plötzlich stand Galen Blocher vor mir, sein lahmes Bein ein wenig ausgestellt, um die Balance besser halten zu können, mit seinem typisch schiefen Totengräbergrinsen im Gesicht.
    »Nicht erschrecken.«
    Seine Stimme war warm und angenehm tief. Damit erschreckte er niemanden. Galen war das Faktotum meines Vaters gewesen, und jetzt war er mein Gehilfe. Er hatte es als selbstverständlich angesehen, der Tochter des Mannes unter die Arme zu greifen, für den er mehr als zwanzig Jahre gearbeitet hatte. Und ich gestehe, ich war froh, ihn an meiner Seite zu haben. Außer ihm gab es im Institut noch Conny – eigentlich Cornelius – und Paula; verlässliche Mitarbeiter, der eine zuständig für den Leichentransport und den Aushub der Grabstellen, die andere für die Büroarbeit, ein paar Stunden in der Woche. Der Tod, der dem Leben ein Schnippchen geschlagen hatte, wollte bezahlt werden, und ich mochte mich nicht mit diesen kalkulativen Konsequenzen des Sterbens herumschlagen.
    Ich schaute in Galens zerknautscht aussehende Züge.
    »Kein Neuzugang, aber Pfarrer Wagner sieht verdammt ungesund aus, er hat etwas im Gesicht, und dieses Etwas hat er abgeklebt. Es ist ziemlich viel Etwas.«
    »Der Pfarrer ist das ungesunde Etwas«, sagte ich und versuchte mein Möglichstes, dem Mann nur ja nichts an den Hals zu wünschen … obwohl, vielleicht die Krätze? Wagner war ein unangenehmer Mensch, um es freundlich auszudrücken. Galen lachte. Was so ein kleines Lachen doch bewirkte, es konnte ein Gesicht komplett verändern. Ich verstand, was er mir zu verstehen gab.
    »So sollte er in nächster Zeit nicht auf den Friedhof, der Pfarrer«, sagte ich. »Und Zelda Krieger hat einen Termin. Wie wär’s stattdessen mit einem Trauerredner?«
    Kein Nullachtfünfzehn-Segen, sondern schön gesprochene Worte. Mir gefiel die Vorstellung, würde sie auch meiner Klientin gefallen? Aber vielleicht würde ihr ein beklebter, pusteliger Pastor noch weniger schmecken.
    »Such bitte jemand Passendes für Zelda aus«, sagte ich und wusste, dass Galen eine gute Wahl treffen würde.
    Pusteln im Gesicht ließen auf eine Allergie schließen; ich hatte auch schon gehört, dass Stress ein Auslöser dafür war. Nur fragte ich mich, welchen besonderen Stressfaktoren unser Pfarrer ausgesetzt sein konnte. »Yersinia pestis«, überlegte ich laut mit einem schelmischen Grinsen.
    »Lass das bloß niemanden hören«, riet mir Galen.
    Würde ich nicht.
    Die Pest hatte im 16.   Jahrhundert an diesem Ort schlimm gewütet. Weinfeld war untergegangen. Nicht in den Wassern des Maares, doch die Bewohner, die überlebten, hatten ihre Häuser verlassen und waren nie zurückgekehrt. Der Kirchhof von Weinfeld war bis heute die letzte Ruhestätte der Bewohner aus Schalkenmehren. Von dort aus hatte man einen herrlichen Blick auf das Maar.
    Heute konnte ich verstehen, dass man an der alten Tradition festhielt. Als Kind jedoch hatte ich es gruselig gefunden, wenn ich meinen Vater auf den Friedhof begleitete und die rotgoldene Sonne über dem Totenmaar – wie das Weinfelder Maar auch genannt wurde – sank.
    Unweigerlich dachte ich an Blut, das im Wasser Schlieren zog, und der Graf fiel mir ein: Eine Sage erzählt von einem Schloss, das einst an genau dieser Stelle stand, und von einem Grafen und seiner geizigen Frau, die für die Armen nicht einmal ein Stück Brot übrig hatte und ihr Gesinde schikanierte. Eines Wintertages brach der Graf mit seinen Knechten zur Jagd auf. Er fror, denn er hatte seine Handschuhe vergessen, und schickte daraufhin einen seiner Leute zurück zum Schloss. Als dieser wiederkam, berichtete er dem Grafen, dass das Schloss nicht länger an seinem Fleck stünde, sondern sich dort stattdessen ein großer See befände. Der Knecht war völlig verängstigt, der Graf aber traute seinen Worten nicht.
    »Eher scharrt mein Pferd eine Quelle aus dem Boden, als dass ich dir glaube«, soll er gewütet haben, und da begann sein Pferd plötzlich mit dem Huf zu scharren, und aus dem Boden sprudelte Wasser.
    Das Schloss war verschwunden, seine Bewohner allesamt ertrunken, und auf dem See trieb eine Wiege, in der ein Kind schrie. Der Graf nahm es auf, gab dem Pferd die Sporen, und niemand hat ihn je wieder gesehen.
    Und so nannte man das Gewässer fortan Totenmaar.
    Schaurig, traurig,
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