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Die Tore nach Thulien, Buch I: Dunkle Gassen: Wilderland (German Edition)

Die Tore nach Thulien, Buch I: Dunkle Gassen: Wilderland (German Edition)

Titel: Die Tore nach Thulien, Buch I: Dunkle Gassen: Wilderland (German Edition)
Autoren: Jörg Kohlmeyer
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Kettenhemd. Nur der Kragen des Leinenhemdes schaute oben über die ersten Kettenglieder hinaus und kräuselte sich unterhalb des Kinns. Langsam trat er einen Schritt auf sie zu. Die Arme verschränkt und in der einen Hand einen großen Krug haltend. Shachin hatte keine Lust auf ein Gespräch. Schon gar nicht mit einem Burschen wie ihm. Wahrscheinlich ging es ihm ohnehin nur um das eine, und wenn er sie wirklich nur darauf reduzierte, sollte sie ihn vielleicht doch mit ihrem Dolch bekannt machen. Sie würde da sicher etwas arrangieren können.
    »Nur nicht so schreckhaft meine Liebe«, säuselte der Riese und lächelte.
    Shachin konnte, sehr zu ihrem Missfallen, nicht einmal sagen, dass es sonderlich schmierig oder zweideutig war. Im Gegenteil, ein ehrliches und freundliches Lächeln flog ihr da entgegen. Für den Bruchteil einer Sekunde dachte sie ernsthaft darüber nach, ihm zu antworten, doch schon im nächsten Moment wirbelte sie herum und verschwand in der Menge. Sie hatte jetzt keinen Nerv dafür. Langsam aber sicher begann sie, überall den Meister zu sehen. Sie musste den Kopf frei bekommen und das konnte ihr hier nicht gelingen.
    Das Treiben auf dem Markt hatte trotz des Regens noch zugenommen und Shachin kam nur langsam voran. Die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, schwamm sie in der Masse mit. Ihre Rechnung war nicht aufgegangen. Sie war weit davon entfernt, dass sich bei ihr ein Gefühl der Sicherheit einstellte. Das Bedürfnis, ständig jeden und alles im Blickfeld zu haben war zu stark und hier auf dem Markt ein hoffnungsloses Unterfangen. Sie verließ den Marktplatz und lief einige Zeit ziellos durch die Gassen der alten Herzogstadt. Irgendwann, ihr kam es wie eine Ewigkeit vor, stand sie vor einem großen Platz, der genau die richtige Bühne darstellte für das, was sich dahinter befand: der Dom der Herrin. Shachin war unbewusst ins Scherbenviertel gelangt und vor ihr erhob sich der prunkvollste und mächtigste Bau von ganz Leuenburg. Shachin hatte in ihrem Leben weitaus größere und auch schönere Bauten gesehen, und doch war sie beeindruckt, zu was die Kirche der Herrin in einem Herzogtum dieser Größe imstande war. Zügig überquerte sie den Vorplatz. Gerade, als sie die großen Stufen zum Eingangsportal hinauf wollte, nahm sie eine Bewegung am Rand des Platzes war. Sofort meldete sich ihr Instinkt. Shachin ging weiter, als wäre nichts geschehen, doch alle Sinne waren auf die schwarz gekleidete Gestalt gerichtet. Als sie das große Portal erreichte, machte sie eine Vierteldrehung und ging die seitlichen Stufen hinunter. Diese führten zwar etwas steiler, dafür aber auch umso kürzer ebenfalls hoch zum Eingangstor des Doms.
    Es sind drei , stellte sie überrascht und ein wenig beunruhigt fest. Dieser hier war nicht der Meister, da war sich Shachin sicher. Ohne darüber nachzudenken, bewegte sie sich in seine Richtung. Mit jedem weiteren Skorpion, der sich in Leuenburg aufhielt, wurde die Gefahr größer, und jetzt war es an der Zeit, dass sie in die Offensive ging. Dem Meister allein entgegenzutreten war das eine, seine Schergen dabei im Rücken zu wissen etwas ganz anderes.
    Der Skorpion hatte sie nicht bemerkt. Er lief am Rand des Platzes entlang, womöglich um dem Regen zu entgehen. Du musst noch viel lernen , dachte Shachin bei sich, als sie sich langsam in sein Fahrwasser schob. Sie wollte ihn lebend zu fassen bekommen. Jede noch so kleine Information konnte ihr einen Vorteil verschaffen. Es würde nicht einfach werden, etwas aus ihm herauszubekommen, doch Shachin hatte ihre Mittel. Was am Ende zu tun sei, wusste sie, und auch wenn ihr der Tod eines Wehrlosen nicht behagte, so konnte sie hier keine Milde walten lassen. In ihrem Geschäft galt das Prinzip Du oder Ich und jeder, der sich darauf einließ, wusste das auch.
    Der Skorpion gab sich nicht sonderlich viel Mühe, unentdeckt zu bleiben. Er machte eher den Eindruck, als sei ihm dieser Aspekt seiner Arbeit nicht so wichtig. Shachin folgte ihm unauffällig und hatte währenddessen genug Zeit, seine Bewegungen genau zu studieren. Der Mörder vor ihr war noch ein Schüler. Die Grundzüge und prinzipiellen Dinge waren ihm augenscheinlich geläufig, doch fehlte es ihm noch an der nötigen Erfahrung und Abgebrühtheit. Mehr als einmal korrigierte ihn Shachin in Gedanken, und nach einiger Zeit kam sie zu dem Schluss, dass auch sie mittlerweile eine ganz passable Lehrerin abgeben würde. Sie konnte sich nicht erklären, warum der Meister diesen
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