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Die Tochter der Dirne

Die Tochter der Dirne

Titel: Die Tochter der Dirne
Autoren: BLYTHE GIFFORD
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irren. Es ist viele Jahre her.“
    „Sie war sich ziemlich sicher. Und ich bin es auch.“
    Furcht stieg in ihr auf. Wenn der König an ihre Deutung glauben sollte, durfte er nicht an ihr zweifeln. „Glaubt Ihr dem Wort einer Wäscherin mehr als dem einer Königstochter?“
    „Die Wäscherin hat keinen Grund zu lügen. Die Königstochter allem Anschein nach schon.“
    Sie sah Justin an und vergaß, ihre Verzweiflung zu verbergen. „Habt Ihr es dem König gesagt?“
    „Nein.“
    Sie war so erleichtert, dass ihre Hände zitterten. „Er sollte es nicht erfahren.“ Gewiss würden ein paar Worte und ein Kuss diesen Mann zum Schweigen bringen. Sie berührte seinen Arm und lehnte sich gegen ihn, schenkte ihm einen flehenden Blick. Wie von selbst öffneten sich ihre Lippen.„Es war wirklich harmlos. Ich wollte ihm nur schmeicheln.“
    Seine Miene war kein bisschen freundlicher geworden, als er zurückwich. „Wenn Ihr das nächste Mal dem König schmeicheln wollt, dann vergesst nicht, dass während des nächsten Jahres der Rat die Macht besitzt.“
    Ihre Erleichterung schlug erneut in Furcht um. Jetzt, da er die Wahrheit kannte, besaß er eine Waffe, mit der er jederzeit zuschlagen konnte. Dieser Mann war unempfänglich für die Verführungskünste einer Frau. Er musste irgendetwas anderes wollen.
    Einen Moment lang bedauerte sie es. Sie hatte geglaubt, er wäre anders. „Ich verstehe. Was wollt Ihr für Euer Schweigen?“
    Er zog die Brauen hoch. „Verwechselt meinen Charakter nicht mit Eurem, Lady Solay. Ich tue so etwas nicht.“
    „Also werdet Ihr Stillschweigen bewahren und den Gefallen einfordern, wenn es nötig wird.“
    Er schien überrascht, als er ihr Gesicht musterte. „Traut Ihr denn niemandem?“
    „Mir, Lord Justin. Mir selbst vertraue ich.“
    „Bestimmt hat Euch schon einmal jemand etwas gegeben, ohne eine Gegenleistung zu erwarten?“
    Sie dachte zurück. All die Höflinge, die ihre Mutter umschmeichelt hatten, waren verschwunden in der Nacht, als der König starb. All ihre Freundlichkeit, sogar gegenüber einem kleinen Mädchen, hatte nur den einen Grund gehabt: in die Nähe der Macht zu gelangen. „Nicht, dass ich wüsste.“
    „Dann tut Ihr mir leid.“
    Sie sah einen Anflug von Traurigkeit in seinen Augen und wappnete sich dagegen. „Ich will Euer Mitleid nicht. Eines Tages werdet Ihr etwas von mir wollen, Lord Justin. Das tun alle.“
    „Ihr seid diejenige, die etwas will, Lady Solay. Nicht ich.“
    Er kehrte ihr den Rücken zu und ließ sie in dem überfüllten Raum stehen.
    Als der nächste Mann sich näherte, zuckte sie die Achseln. Was Lord Justin sagte, spielte keine Rolle. Seine Handlungen würden sein wahres Wesen zeigen.
    Justin ging die Treppe hinunter und dann hinaus in den Innenhof, froh, von ihr fort zu sein. Die Dunkelheit und ihre Nähe waren ihm zu Kopf gestiegen.
    Wegen ihres Betrugs sollte ich sofort zum König gehen, dachte er und rieb mit dem Daumen über seinen Ring, auf dem drei Wörter eingraviert waren: Omnia vincit veritas. Die Wahrheit siegt über alles. Er musste dem König nur berichten, dass sie gelogen hatte, und dann wäre sie fort.
    Doch um ihn herum strömte der Hofstaat in Richtung Kapelle zur Mitternachtsmesse. Das war kaum der richtige Zeitpunkt, um seinen König zu stören und ihm zu sagen – was? Dass Lady Solay in Bezug auf ihren Geburtstag gelogen hatte? Welche Dame tat das nicht? Der König, der selbst nicht allzu genau auf seine Worte achtete, konnte es als Kompliment auffassen oder als Affront.
    Justin verlangsamte seine Schritte. Er konnte sich vorstellen, welches Gesicht Richard machen würde. Nachdem der König die Tatsache begriffen hätte, würde ein listiger Ausdruck in sein Gesicht treten. Dann würde er, genau wie sie es vorausgesagt hatte, dieses Wissen als Waffe benutzen und es dann einsetzen, wenn sie am verletzlichsten war. Und dass Lady Solay verletzlich war, das wusste Justin trotz allem. Wenn sie ihn mit ihren veilchenfarbenen Augen so flehend ansah, dann erinnerte sie ihn an eine andere Frau. Eine Frau, die so verzweifelt gewesen war, dass …
    Er schob diese schmerzliche Erinnerung beiseite, als er am Runden Turm vorüberging, der sich zwischen Oberem und Unterem Hof erhob. Es gab keinen Grund, Solays Geheimnis heute Nacht zu enthüllen. Die Drohung allein würde sie dazu bringen, sich zurückzuhalten. Außerdem würde der Rat ihre Zuwendung niemals bewilligen, was spielte es also für eine Rolle?
    Doch als er die Kapelle
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