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Die Sumpfloch-Saga Bd. 3 - Nixengold und Finsterblau

Die Sumpfloch-Saga Bd. 3 - Nixengold und Finsterblau

Titel: Die Sumpfloch-Saga Bd. 3 - Nixengold und Finsterblau
Autoren: Halo Summer
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überschritt. Hier im bösen Wald fühlte sie sich befreit. Alle Sorgen flogen fort und ihr Inneres war klar wie ein See, durch den man bis auf den Grund schauen konnte. Thunas Grund war einfach und vollkommen. Wie ein Stein, den das Wasser in Millionen Jahren rund geschliffen hat.
    Grohann wusste, wie man gehen musste, um in den schöneren, tieferen Teil des Waldes zu kommen. Zum Glück gab es nicht nur die Tunnel, die Rackiné so gerne benutzte, sondern auch verschlungene Pfade, Tore in uralten Baumstämmen und unsichtbare Brücken, die es den Waldwesen erlaubten, große Entfernungen in kurzer Zeit zurückzulegen. Grohann führte Thuna und den Löwen weiter, als Thuna jemals gegangen war. Sie ließen den Nebelsee hinter sich und die Gegend der unterirdischen heißen Quellen, wo die Trommelgnome regierten.
    Als die Nacht zwischen den Bäumen heller wurde und ein erster Schimmer von Tageslicht von Baumwipfel zu Baumwipfel huschte, traten sie in ein weites Tal von rauer Schönheit. Glucksende Wasserfälle rannen über geborstene Felsblöcke, Moos und dichte Farne kletterten an Abgründen empor, kahle Baumriesen klammerten sich an Berge aus Geröll und Tannen von vollkommenem Wuchs reckten sich nach den Sternen.
    „Wir sind da“, sagte Grohann. „Es ist Zeit für den Abschied.“
    „Hier soll Pollux bleiben?“, fragte Thuna. „Ich würde ihn gerne hierlassen, aber er hört nicht auf mich. Er wird mir folgen, wenn wir zurückgehen.“
    „Er muss dich nur verstehen! Sag es ihm in deiner Sprache.“
    „In meiner Sprache?“
    Grohann antwortete nicht, aber das machte nichts. Thuna wusste, was er meinte: Ihre Sprache, das war die Sprache, in der die Nixe zu ihr gesprochen hatte. Es war die Sprache der Flüsse und des Windes. Die Sprache der Bäume und der Tiere. Es war auch die Sprache der Sterne und der Steine. Die Sprache, die Grohann schon manchmal verwendet hatte, um Thuna etwas mitzuteilen. Die Sprache, die Thuna schon benutzt hatte, um Grohann etwas zu verraten. Es war eine Sprache ohne Worte.
    Die vernünftige Thuna klammerte sich an Worte. Die vernünftige Thuna glaubte, man könne die Wahrheit lesen und Satz für Satz zusammenbauen und wieder auseinandernehmen. Sie glaubte, man könne auf diese Weise Gefahren beherrschen und alles richtig machen. Doch in Wirklichkeit schlitterte man mit dieser Einstellung an der Wahrheit vorbei und landete im Graben. Die vernünftige Thuna kam sich so klug vor und wusste doch gar nicht, wie die Welt tatsächlich aussah. Sie wusste nicht einmal, wie ihr eigenes Gesicht aussah!
    Wenn Thuna es aber wagte, alle Vernunft zu vergessen und ohne Wörter zu sprechen, dann verwandelte sich alles. Dann spürte sie ein Strömen und ein Werden, dann erlebte sie das große Leben, das durch den Wald und in ihren Adern floss und das immer da war, hier und überall. Wenn sie ohne Worte sprach, dann verwandelte sich auch Thunas Gesicht. Nicht von außen, sondern von innen, da sie in diesem Zustand endlich fühlte, wer sie von Natur aus war, und weil es dann nichts mehr gab, was sich zwischen sie und ihr Herz stellte. Manchmal muss man aufhören zu denken, um etwas zu begreifen. Thuna begriff an diesem Morgen sehr viel. Sie wollte es nicht vergessen. Sie wollte nach Sumpfloch zurückkehren und ihr schönes Gesicht behalten. Das wunderschöne Gesicht der Nixe.
    Nun streichelte Thuna ihren Pollux und erklärte ihm alles. Sie erklärte ihm in ihrer Sprache, wie sehr sie ihn liebte und dass er von nun an hier leben würde. Dass sie ihn besuchen würde, wann immer sie in den bösen Wald käme, und dass er das Nebelfräulein oder die Trommelgnome um Hilfe bitten sollte, wenn er sein Fressen nicht selbst erbeuten konnte. Ihnen würde schon etwas einfallen. Mit den Löwenfutterdosen wäre es jedenfalls vorbei. Daran müsste er sich gewöhnen. Vielleicht würde ihm Thuna mal eine mitbringen, ganz ausnahmsweise.
    Thuna schmiegte ihr Gesicht an das des Löwen, der sie genau verstanden hatte. Ganz einig nahmen sie voneinander Abschied, aber nicht für immer. Ein Abschied, bei dem man das Gefühl hat, dass alles, alles gut ist, ist kein trauriger Abschied.
    Als Thuna und Grohann den Heimweg antraten, blieb Pollux zurück. Immer wenn sich Thuna nach ihm umdrehte, sah sie ihn auf dem Felsen sitzen, im Licht der Morgendämmerung. Er sah gar nicht unglücklich aus. Er ahnte wohl, dass sie ihn auf dem tollsten Spielplatz der Welt zurückgelassen hatte.
    „Grohann“, sagte Thuna auf dem langen Rückweg durch
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