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Die Sturmrufer

Die Sturmrufer

Titel: Die Sturmrufer
Autoren: blazon
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nicht sein dürfen«, sagte der Naj ärgerlich.
    »Wohin ist er geflogen?«
    »In den Himmel zu den Bergen der Feuerinseln.«
    »Du stammst also aus dem Meer vor den Feuerinseln?«
    »Wie auch immer du sie nennst«, erwiderte der Naj hochmütig. »Und jetzt geh zurück in deine erbärmliche Menschenstadt.« Sabin musste lächeln. Es wäre zu viel, von einem Naj Dankbarkeit zu erwarten.
    »Gleichgültig, was du sagst, ich weiß es zu schätzen, dass du dich dankbar zeigst, weil wir deinem Jadur die Freiheit gegeben haben«, sagte sie.
    Der Naj zischte verächtlich. »Ganz sicher nicht«, sagte er. »Kein Naj auf dieser Welt hilft einem Menschen oder schuldet ihm Dankbarkeit.«
    »Aber wir leben! Und vor mir schwimmt die Jontar.«
    »Zufall«, sagte der Naj. »Bilde dir nur nichts ein, Trockengesicht. Ein Menschenschicksal ist für uns ohne Bedeutung. Ihr folgt keinem Schwarm, und deshalb werdet ihr aussterben und wir werden uns nur noch in Geschichten an euch erinnern, die mit Gischt in den Wind geschrieben sind.«
    »Keine Bedeutung?« Sabin lachte. »Wirklich? Und warum hast du mich dann verschont, statt mich zu ertränken?«
    »Vielleicht bin ich nur neugierig, was du als Nächstes tun wirst«, sagte der Naj und tauchte ab.

 
     
     
     
    IV
D IE S TADT

Der Fischerkönig
     
    D er Ratssaal im Haus des Fischerkönigs schüchterte Amber ein. Es war nicht nur die Tatsache, dass sie von ihrem Sitzplatz aus in furchterregende aufgerissene Haimäuler blickte, die an der Wand neben dem Fenster aufgehängt waren, nein, jemand hatte auch viel zu farbige Gemälde von jedem Schiffsunglück der vergangenen zehn Sommer an die Wände genagelt. Amber, Inu und Sabin saßen im Zentrum unzähliger Katastrophen.
    Unter den Haimäulern hatten Monis, der Fischerkönig, seine vier Ratgeber und die Gesandten von den Feuerinseln Platz genommen und starrten Amber nicht sehr viel freundlicher an als die Haiköpfe. Nur Sumal Baji, die ganz am Rand der Tafel saß, schenkte ihr ein verhaltenes Lächeln, das Ambers Herz schneller schlagen ließ.
    Nervös blickte Amber nach rechts – neben Sabin, auf Tanijens Platz, lag eine weiße Wasserrose als Zeichen der Trauer. Außerdem hatte Sabin Tanijens Lebenstuch auf den Stuhl gelegt. Früher war es rot gewesen, doch nun war es über und über mit weißen Fäden bestickt. Jeder Dantarianer besaß ein solches Tuch. Sabin, Inu und auch Amber trugen weiße Trauergewänder, die noch neu waren und auf der Haut kratzten. Amber fühlte sich unbehaglich. Ihre Wunde pochte unter dem Verband und sie fürchtete sich davor, dass sie ausgerechnet jetzt wieder zu bluten beginnen würde. Noch nie war sie so schwach gewesen wie nach den Tagen auf dem offenen Meer, die sie nur im Fieberschlaf verbracht hatte. Selbst jetzt glaubte sie immer noch die schwankenden Bewegungen der Jontar wahrzunehmen. Inu griff unter dem Tisch nach ihrer Hand und drückte sie. Amber atmete durch und ließ sich ganz auf dieses neue Gefühl ein: aufgehoben und am richtigen Ort zu sein.
    Morus schnaubte und beugte sich wieder tief über Lemars Notizbuch. Amber beneidete ihn nicht um seine Aufgabe, für ein ganzes Jahr alle Entscheidungen für eine von Stürmen gebeutelte Stadt zu tragen. Gleichzeitig machte sie sich bewusst, dass Morus es war, der die Todesurteile unterschrieb. Sein schwarzes Haar war zerwühlt, tiefe Schatten lagen unter seinen Augen. Seit dem Sturm vor drei Tagen hatte er offenbar nicht geschlafen. Und das, was er vor sich auf dem Tisch sah, verbesserte seine Laune nicht gerade.
    »Kolm Amadur und Genus Chilan«, murmelte er nun. »Das waren zwei der Magier aus Dantar, ja. Sie gehörten vor fast zwanzig Sommern dem Kreis der Magier an, die sich unrechtmäßig daran versuchten, die Stürme zu rufen und zu beherrschen – und all das mit der Billigung der damaligen Navigatorengilde.« Seine Augenbrauen zogen sich zusammen, bis sie einen einzigen dunklen Balken über seinen Augen bildeten. »Wer die Stürme beherrscht, beherrscht Dantar.« Zustimmendes Murmeln antwortete ihm. »Sie sollten hingerichtet werden, aber es gelang ihnen zu fliehen.«
    Eine Beraterin räusperte sich hörbar, die anderen versteiften sich sichtlich.
    »Es ist nicht bewiesen«, mahnte eine Fischerin. »Die Dokumente sagen, sie sind gehängt worden.«
    »Und die Gerüchte sagen, dass sie den Henker bestochen haben und den Strick überlebten. Wie hätten sie sonst zu den Feuerinseln gelangen können? Und dort trafen sie… Wie hieß er? Lemar?«
    Die
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