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Die Sturmrufer

Die Sturmrufer

Titel: Die Sturmrufer
Autoren: blazon
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sie Amber und Inu eintreten hörte. Reglos starrte sie auf das schwarze Becken. Der Hof war leer. Inu trat neben sie. Er blickte nicht in ihr Gesicht, dazu hatte er zu viel Respekt vor ihrem Schmerz. Stattdessen betrachtete er ihre Hände, die um die steinerne Brüstung gekrampft waren und ebenso weiß wie der Marmor wirkten. Dieser Anblick machte ihn unendlich traurig. Unter ihm gähnte der schwarze See wie ein Auge, das ihn beobachtete. Ein leichtes Beben ließ den Wasserspiegel erzittern. Der Dolch flüsterte nun aufgeregt und so schnell, dass er nur einzelne Satzfetzen verstehen konnte.
    Die Sturmrufer schlafen nicht… warten… bin hier…
    Kies knirschte ganz in der Nähe des Tors, eine Tür klappte.
    Amber erstarrte. »Da… unten ist jemand«, flüsterte sie. »Er hat die Tür geöffnet!«
    Bevor Inu antworten konnte, gruben sich Sabins Finger in seinen Arm. »Tanijen!«
    Für einen irrwitzigen Augenblick glaubte auch Inu seinen Freund zu sehen. Die Gestalt betrat den Hof und blieb stehen, als wäre sie unschlüssig, ob sie auf das Tor zugehen sollte oder nicht. Ein Mantel bedeckte Kopf und Rücken. Tanijen hatte diesen Mantel in einer Truhe gefunden und ihn einige Male getragen, allerdings war er nicht zerfetzt gewesen – so wie jetzt. Ein zerfasertes Seil schleifte über den Boden.
    Die Gestalt drehte sich langsam zum Tümpel um.
    »Er kann es nicht sein«, flüsterte Inu, doch die Worte kratzten in seinem Hals wie Dornenranken. Tränen stiegen ihm in die Augen. »Es ist nur Tanijens Magie… ein Spiegelzauber…«
    »Sabin, nein!« Ambers Ruf hallte durch die Galeriezimmer. Doch die Taucherin war bereits davongerannt – zur Halle, zur Tür, die zum Hof führte. Amber fluchte, nahm ihren Stock – warf ihn einfach über die Brüstung und sprang selbst hinterher. Starr vor Schreck verfolgte Inu, wie der Stock federnd auf dem Boden aufschlug, gleich darauf landete Amber selbst am Rand des Tümpels und hob die Waffe auf.
     
    *
     
    Heute waren es nur vier. Sie sprangen von der Mauer in den Hof, krochen aus den Winkeln hervor wie Eidechsen. Amber erahnte ihre Bewegungen mehr, als sie sie sah. Noch griffen sie nicht an, sie zischten und duckten sich, jedes Fauchen schickte ihr einen Angstschauer über den Rücken. Sabin erschien an der Tür, die weit offen stand. »Tanijen!«, rief sie mit erstickter Stimme. Ambers Vernunft sagte ihr, dass die Gestalt nicht Tanijen sein konnte. Sie reagierte nicht auf die Bedrohung, sondern wankte auf das Wasser zu. Eine der Kreaturen hob warnend den Speer. Amber kniff die Augen zusammen und spürte mit Genugtuung, wie die Wut in ihr hochkochte. »Diesmal sterbt ihr!«, knurrte sie und schnellte los.
     
    *
     
    Inu sah das Geschehen unendlich langsam vor sich ablaufen. Für die Dauer eines Wimpernschlags nahm er wahr, wie die zerlumpte Gestalt sich um sich selbst drehte wie ein verwirrter Tanzbär. Sabin rannte auf sie zu. Amber hob ihren Stock und warf sich den Wächtern entgegen wie ein Krieger. Ihre Schläge waren gezielt und gnadenlos, winselnd und getroffen wich die erste Gestalt zurück, dann die zweite.
    Sieh genau hin, befahl ihm der Dolch.
    Inu war wie gelähmt. Er sah einen jungen Magier – Lemar le Hay? Er schritt auf den Tümpel zu, den roten Dolch in der Hand.
    Ich werde es beenden, wisperte der Dolch. Ich werde alles zerstören , was wir geschaffen haben, bevor es zu spät ist.
    Doch da waren andere Magier. Zwei große Männer – Kolm und Genus? Entsetzt verfolgte Inu, wie einer der Magier sein Kurzmesser warf und Lemar damit in den Unterarm traf. Lemars roter Dolch flog über das Wasser und tauchte ein. Dann gaben die beiden Magier den Kreaturen den Befehl. Lemar starb schnell, doch der Dolch hatte Zeit genug gehabt zu sinken. Das Wasser begann zu kochen. Die Kreaturen, die eben noch den Magiern gehorcht hatten, wandten sich um – und griffen ihre Herren an.
    Und während in Inu alles danach drängte, zu Amber zu laufen und ihr endlich zu helfen, flüsterte der Dolch ihm zu, dass die Wächter nicht länger auf ihn und den Tümpel achteten.
    Zeit , den Kodex aufzugeben, raunte die Stimme. Du willst doch Amber nicht verlieren?
    Und plötzlich wusste er, was Tanijen vorgehabt hatte.
     
    *
     
    »Loin!«
    Amber erschrak so sehr über die fremde Stimme, dass sie unvorsichtig wurde. Eine Speerspitze bohrte sich in ihre Schulter. Ein scharfer Schmerz ließ sie aufschreien. Und während sie zur Seite sprang, erhaschte sie einen Blick auf das Gesicht unter der
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