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Die Staufer und ihre Zeit

Die Staufer und ihre Zeit

Titel: Die Staufer und ihre Zeit
Autoren: Dietmar Pieper , Annette Großbongardt
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Wohlstand am stärksten profitieren. Zwischen 1150 und 1250 wächst die Zahl der Städte im Reich nördlich der Alpen von ungefähr 200 auf 1500, das ist schon gewaltig. Mehr als jede dritte deutsche Stadt, die es heute gibt, finden wir bereits um 1250.
    SPIEGEL: Wenn man versucht, sich eine Vorstellung von der damaligen Mentalität zu machen, stößt man rasch auf das Motiv der Endzeitangst. Wie verbreitet war die Sorge, dass die Welt bald untergeht?
    WEINFURTER: Endzeitangst ist ein außerordentlich wichtiger Motor dieser Gesellschaft. In der Stauferzeit verbindet sich diese ältere Tradition mit der besonderen Angst, dass man vor dem Jüngsten Gericht nicht bestehen kann, weil die Zeit zu diesseitsorientiert ist. Um 1180 strömt ja mit großer Wirkung aus Frankreich die Idee der höfischen Kultur ins Reich, die Sitten werden freier, die Kleidung luxuriöser, die Feste ausschweifender. Eine Reaktion darauf ist die Furcht: Wer das mitmacht, geht in den sicheren ewigen Tod. SPIEGEL: Weil dieser neue Lebensstil sündig ist? Aber so hat ja nicht die Mehrheit der Bevölkerung gelebt. WEINFURTER: Auch die einfachen Leute schauen nach oben und sehen, was sich dort abspielt. Und umgekehrt wenden
sich begüterte Menschen den Armen zu. Ein gutes Beispiel dafür ist Elisabeth von Thüringen, die in der höfischen Welt aufwächst, sich aber in der Armenfürsorge verzehrt. Es sind die Jahre, in denen die Bettelorden gewaltigen Zulauf bekommen, Franziskus von Assisi zieht durch Italien, auch im deutschen Reichsteil gründen die Franziskaner überall ihre Klöster und predigen das Armutsgebot. Da wächst die erste große europäische Friedensbewegung heran, aus dem Glauben heraus, dass man nur friedlich miteinander leben kann, wenn alle Menschen arm sind, weil es dann keinen Hader und keinen Neid gibt.
    SPIEGEL: Die Besitzenden hat das sicher kaum beeindruckt.
    WEINFURTER: Immerhin suchten sie nach Auswegen aus der ewigen Verdammnis. Der Ablass und das Fegefeuer kommen da wie gerufen, theologische Vorstellungen, denen damals noch eine große Zukunft bevorsteht. Die Ablassdebatte mündet bekanntlich in die Reformation, das Fegefeuer wird zum großen Thema des 13. Jahrhunderts, gipfelnd später in Dantes »Göttlicher Komödie«.
    SPIEGEL: Luxus ist teuer. Wie haben die hohen Herren ihren Prunk finanziert?
    WEINFURTER: Geld hat im Reich noch nie so eine wichtige Rolle gespielt wie zur Stauferzeit. Überall entstehen Münzstätten, 400 bis 500 gibt es Mitte des 13. Jahrhunderts, zuvor waren es vielleicht 40. Die Fürsten, auch die geistlichen, schreiben ihren Märkten und Städten vor, dass nur mit dem von ihnen geprägten Geld bezahlt werden kann. Im Prinzip muss jeder, der dort Handel treiben will, erst einmal sein Geld gegen die gültige Währung tauschen. Und dieser Umtausch bringt viel ein, um die 20 bis 25 Prozent…
    SPIEGEL: … die ersten Devisengeschäfte.
    WEINFURTER: Die Fürsten können auch immer wieder Währungsreformen anordnen, »Münzverrufungen«, wie man
damals sagte. Der Herr erklärt: »Die Münze vom letzten Jahr ist ab sofort ungültig, ihr müsst innerhalb meines eigenen Münzbereiches umtauschen.« Das bringt wieder 20 bis 25 Prozent ein.
    SPIEGEL: Die Italiener erfinden in dieser Zeit das moderne Bankenwesen und machen Geldgeschäfte quer durch Europa.
    WEINFURTER: Mit an der Spitze dieser Entwicklung im Staufer-Reich liegt die Lombardei. Sie ist mit ziemlicher Sicherheit damals die reichste Region in Europa…
    SPIEGEL: … und für die Staufer eine Quelle ständiger Ärgernisse.
    WEINFURTER: Das liegt ganz wesentlich daran, dass die Lombarden bereits eine höchst selbstbewusste Stadtkultur haben. Damit stehen sie an der Spitze in Europa. Eine Metropole wie Mailand hat um 1200 an die 200 000 Einwohner, unvorstellbar für andere Regionen. Städte im Reich nördlich der Alpen kommen zu dieser Zeit maximal vielleicht auf 10 000 bis 15 000 Einwohner.
    SPIEGEL: Trotz der beschwerlichen Reise über die Alpen nimmt der Austausch zwischen Nord und Süd zu, Händler, Pilger, Mönche wandern hin und her. Kommt die wesentliche Innovationskraft aus dem Reichsteil Italien?
    WEINFURTER: Schwer zu sagen, ich glaube aber, dass wir den italienischen Einfluss auf die Entwicklung sehr hoch veranschlagen müssen. Im Gefolge der Herrscher halten sich ja Hunderte, Tausende Fürsten im Süden auf, in ständigem Kontakt zu ihren deutschen Heimatregionen. Das kann nicht ohne Folgen für kulturelles Ambiente und Lebensart bleiben.
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