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Die Stadt und die Sterne - Mit einem Vorwort von Gary Gibson

Die Stadt und die Sterne - Mit einem Vorwort von Gary Gibson

Titel: Die Stadt und die Sterne - Mit einem Vorwort von Gary Gibson
Autoren: Clarke Arthur C.
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Gastfreundschaft tapfer an, durch die Versicherung beruhigt, er brauche nicht lange hierzubleiben.
    Hilvar hatte sich in seinem ganzen Leben nie einsam gefühlt, aber in Diaspar lernte er die Einsamkeit kennen. Die Stadt schien ihm fremder, als Lys es für Alvin gewesen war, und ihre unendliche Kompliziertheit und die vielen fremden Menschen bedrückten ihn schwer. In Lys kannte er jeden, ob er ihm nun persönlich begegnet war oder nicht. In Diaspar konnte er nicht einmal in tausend Leben alle Menschen kennenlernen. Nur seine Treue zu Alvin hielt ihn in einer Welt, die mit der seinen nichts gemein hatte.
    Er hatte schon oft versucht, seine Gefühle für Alvin zu analysieren. Wie er wusste, wurzelte seine Freundschaft zu ihm in der Sympathie, die er für alle kleinen, bedrohten Kreaturen empfand. Die anderen, die Alvin als lau nisch, stur und egozentrisch betrachteten, hätten sehr dar über gestaunt. In ihren Augen hatte er keine Zuneigung nötig, und wäre man tatsächlich auf ihn zugegangen, hätte er sie auch nicht erwidern können.
    Doch Hilvar wusste es besser, er hatte es sofort instinktiv gespürt. Alvin war ein Forscher, und wie alle Forscher suchte er etwas, das er verloren hatte. Dabei wurden sie selten fündig, und selbst wenn, waren sie hinterher noch seltener glücklicher als während der Suche.
    Hilvar wusste nicht, wonach Alvin suchte. Die Kräfte, die ihn antrieben, waren von den genialen Männern in Gang gesetzt worden, die Diaspar mit geradezu perverser Kunstfertigkeit geplant hatten – oder von den noch genialeren Männern, die sich ihnen widersetzt hatten. Wie jeder Mensch war Alvin in gewisser Hinsicht eine Maschine, deren Handlungen vom Erbgut vorherbestimmt waren. Doch das hieß keinesfalls, dass er weder Verständnis noch Mitgefühl brauchte oder dass ihm Einsamkeit und Frustration fremd gewesen wären. Da er für seine Mitmenschen undurchschaubar blieb, vergaßen sie zuweilen, dass auch er Gefühle hatte wie sie – nur ein Fremder aus einer völlig anderen Umgebung konnte erkennen, dass auch er bloß ein Mensch war.
    Innerhalb weniger Tage nach seiner Ankunft in Diaspar traf Hilvar mehr Leute als jemals zuvor in seinem ganzen Leben. Traf sie – und lernte praktisch keinen richtig kennen. Weil sie so eng beieinanderwohnten, wahrten die Stadtbewohner eine schwer zu durchdringende Distanz. Die einzige Privatsphäre, die sie kannten, war die des Geis tes, und sie klammerten sich daran, auch wenn sie an den zahllosen gesellschaftlichen Ereignissen Diaspars teilnahmen. Hilvar fühlte Mitleid für sie, obwohl er wusste, dass sie dieses Mitleid nicht wollten. Sie wussten nicht, was ihnen entging – sie konnten das warme Gefühl der Gemeinschaft und der Zusammengehörigkeit in Lys nicht verstehen. Ja, die meisten Leute, mit denen er sich unter hielt, bemitleideten ihn wegen seines unglaublich langwei ligen und trüben Daseins.
    Eriston und Etania, Alvins Vormunde, betrachtete Hilvar als nette, aber unbedeutende Leute. Ungläubig hörte er Alvin sie Vater und Mutter nennen – Worte, die in Lys ihre ursprüngliche biologische Bedeutung behalten hatten. Man musste sich ständig vor Augen halten, dass die Gesetze von Leben und Tod von den Gründern Diaspars außer Kraft gesetzt worden waren, und manchmal schien es Hilvar, als sei die Stadt trotz großer Geschäftigkeit halb leer, weil es keine Kinder gab.
    Er fragte sich, was mit Diaspar geschehen würde, jetzt, da die lange Zeit der Isolation zu Ende war. Das Vernünftigste wäre, dachte er, wenn die Stadt ihre Gedächtnisanlagen zerstören würde. So wunderbar sie auch sein mochten – der vielleicht höchste Triumph der Wissenschaft –, sie waren doch die Schöpfung einer kranken Kultur, einer ängstlichen Kultur. Eine dieser Ängste beruhte sogar ausschließlich auf Einbildung. Hilvar kannte einen Teil der Ergebnisse der Erforschung von Vanamondes Geist. In wenigen Tagen würde ganz Diaspar sie erfahren – und entdecken, dass ein Teil seiner Geschichte nichts als ein Mythos gewesen war.
    Wenn jedoch die Gedächtnisanlagen zerstört würden, wäre die Stadt innerhalb von tausend Jahren tot, da ihre Menschen die Kraft, sich fortzupflanzen, verloren hatten. Das war ein Dilemma, mit dem man sich auseinandersetzen musste, aber Hilvar hatte schon eine mögliche Lösung erspäht. Für jedes technische Problem gab es eine Lösung, und die Bewohner von Lys waren Meister auf dem Gebiet der Biowissenschaften. Was geschehen war, konnte ungeschehen gemacht
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