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Die Springflut: Roman (German Edition)

Die Springflut: Roman (German Edition)

Titel: Die Springflut: Roman (German Edition)
Autoren: Cilla Börjlind , Rolf Börjlind
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Königlichen Bibliothek hatte er sie richtig gepackt, was eigentlich seltsam war, da die Sache so gar nicht ihren Plänen entsprach. In Kürze würde sie nach einer harten und intensiven Arbeitsphase Sommerferien haben. Wochentags hatte sie die Polizeischule besucht und an den Wochenenden in der Justizvollzugsanstalt gejobbt. Jetzt hatte sie sich eigentlich erholen wollen. Sie hatte ein bisschen Geld gespart, so dass sie eine ganze Weile gut über die Runden kommen würde. Sie dachte unter anderem an eine Last-Minute-Reise. Außerdem hatte sie seit fast einem Jahr keinen Sex mehr gehabt. Dagegen wollte sie auch etwas unternehmen.
    Und dann tauchte das hier auf?
    Sollte sie vielleicht doch auf die Zusatzaufgabe verzichten? Immerhin war sie freiwillig. Dann rief Lenni an.
    »Ja?«
    Lenni war seit dem Gymnasium ihre beste Freundin. Ein Mädchen, das sich durchs Leben treiben ließ und verzweifelt nach einem Halt suchte, um nicht zu versacken. Die immer ausgehen und überall dabei sein wollte, weil sie sonst Angst hatte, etwas zu verpassen. Diesmal hatte sie vier Freundinnen zusammengetrommelt, um Jakob nicht zu verpassen, den Typen, an dem sie im Moment interessiert war. Sie hatte auf Facebook gelesen, dass er an diesem Abend in das Lokal Strand am Hornstull gehen wollte.
    »Du musst mitkommen! Das wird super! Wir treffen uns um acht bei Lollo und …«
    »Lenni.«
    »Ja?«
    »Daraus wird nichts, ich muss … es geht um eine Aufgabe für die Schule, ich muss das heute Abend erledigen.«
    »Aber Jakobs Kumpel Erik ist auch da, und er hat schon ein paarmal nach dir gefragt! Der ist doch total süß! Er passt perfekt zu dir!«
    »Tut mir leid, heute geht’s nicht.«
    »Mensch, du bist echt eine Spaßbremse, Olivia! Dabei könnte es dir wirklich nicht schaden, mal mit einem Typen zu schlafen, damit du wieder in Form kommst!«
    »Ein anderes Mal.«
    »Das sagst du in letzter Zeit immer! Na schön, aber gib mir nicht die Schuld, wenn du was verpasst!«
    »Versprochen. Ich hoffe, es klappt mit Jakob!«
    »Ja, drück mir die Daumen! Küsschen!«
    Olivia kam nicht mehr dazu, selbst Küsschen zu sagen, denn Lenni hatte sie schon weggedrückt. Sie war schon auf dem Weg dorthin, wo etwas passierte.
    Warum hatte sie eigentlich Nein gesagt? Als Lenni sie anrief, hatte sie doch selbst gerade an Männer gedacht. War sie etwa wirklich so langweilig geworden, wie Lenni behauptete? Eine Aufgabe für die Schule?
    Warum hatte sie das erwähnt?
    Olivia gab neues Katzenfutter in den Napf und säuberte das Katzenklo. Anschließend ließ sie sich vor ihrem Notebook nieder. Eigentlich hatte sie Lust auf ein Bad, aber ihr Abfluss war verstopft, so dass der ganze Fußboden überschwemmt würde, sobald sie das Wasser abließ, und darauf hatte sie an diesem Abend wirklich keine Lust. Das würde sie morgen machen. Sie würde es auf die Morgen-zu-erledigen-Liste setzen, eine Liste, die sie den größten Teil des Frühjahrs vor sich hergeschoben hatte.
    Jetzt öffnete sie Google Earth.
    Nordkoster.
    Die Möglichkeit, zu Hause an einem Bildschirm zu sitzen und an Häusern in der ganzen Welt entlang zur nächsten Fensterreihe zu zoomen, faszinierte sie noch immer. Auch wenn sie sich dabei wie ein Spion oder Spanner vorkam.
    Nun wurden jedoch ganz andere Gefühle in ihr geweckt. Je näher sie an die Insel heranzoomte, an die Landschaft, die schmalen Wege, die Häuser, je näher sie ihrem Ziel kam, desto intensiver wurden ihre Gefühle. Und dann war sie da.
    An der Bucht Hasslevikarna.
    Im nördlichen Teil der Insel.
    Fast wie eine kleine Förde, dachte sie und versuchte, möglichst nahe heranzukommen. Sie konnte die oberhalb liegenden Dünen und das Ufer erkennen, an dem man die schwangere Frau eingegraben hatte. Auf dem Bildschirm lag der Ort vor ihr.
    Grau, körnig.
    An welcher Stelle die Frau wohl eingegraben worden war?
    War es dort gewesen?
    Oder dort?
    Wo hatte der Mantel gelegen, den sie später fanden?
    Und wo hatte der kleine Junge gehockt, der alles beobachtet hatte? Auf den Felsen an der Westseite des Ufers? Oder doch an der Ostseite? Am Waldsaum?
    Plötzlich ärgerte es sie, dass sie nicht näher herankam. Bis zum Ufer hinunter. Um sozusagen mit den Füßen am Wasser zu stehen.
    Dort zu sein.
    Aber es ging nicht, näher kam man nicht. Sie fuhr den Computer wieder herunter. Jetzt würde sie sich das Bier gönnen, von dem Ulf des Öfteren gesprochen hatte. Aber sie würde es alleine trinken, zu Hause, ohne die Gesellschaft ihrer Kurskameraden
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