Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die seidene Madonna - Roman

Die seidene Madonna - Roman

Titel: Die seidene Madonna - Roman
Autoren: PeP eBooks
Vom Netzwerk:
habt.«
    Der Kutscher nickte zufrieden. Ehe er aber der kleinen Gesellschaft folgte, ging er in die Hocke und kroch dann trotz der eisigen Kälte auf allen vieren unter seinem Wagen herum, wobei er seltsame Geräusche von sich gab.
    »Seid unbesorgt, es ist nichts gebrochen«, wollte ihn Mathias beruhigen, der zuvor die Räder und die Unterseite des Wagens begutachtet hatte.
    »Ja, schon. Das seh’ ich auch«, antwortete der Mann und kratzte sich sorgenvoll am Kopf. »Aber ich könnte wetten, dass da irgendwas drunter war!«
    Er stand wieder auf, schüttelte den Kopf und meinte:
    »War bestimmt ein Hund, und jetzt hat er Angst gekriegt und ist abgehauen.«
    Doch damit war die Sache für ihn erledigt, und alle außer Florine schoben und zogen und schnauften und schwitzten in der Eiseskälte, bis sie den Wagen in den Hof neben der Werkstatt geholt hatten und er nicht länger auf der Straße im Weg stand. Das schlechte Wetter hinderte die Bewohner von Tours nämlich nicht daran, ihre Häuser zu verlassen und mitsamt ihren von Ochsen, Pferden oder Eseln gezogenen Karren ihrer Arbeit nachzugehen.
    Als alle endlich behaglich im Warmen versammelt waren, wurde Milch heiß gemacht und Florine holte aus ihrem rotkarierten Geschirrtuch ein Glas Honig, das sie für alle Fälle dabeihatte, falls sie ein Hungeranfall überkam.
    Das heiße, süße Getränk weckte die Lebensgeister des Kutschers, und Alix machte sich daran, das Paket auszuwickeln, das die vier Männer kurz zuvor hereingebracht hatten.
    Als sie den großen Jutesack geöffnet hatte, kamen gezeichnete
Karton s zum Vorschein, bei deren Anblick ihr vor Staunen der Mund offen stehen blieb.
    »Oh Gott, was für Wunderwerke! Wer mag die nur geschickt haben?«, rief Arnaude begeistert.
    Der Kutscher wischte sich mit dem Handrücken die Milch vom Mund und holte ein aufgerolltes und versiegeltes Dokument aus seiner Tasche, das er Alix reichte.
    »Muss man wahrscheinlich lesen, wenn man das wissen will.«
    Alix nahm das feine Pergament in die Hand, betrachtete es kurz, drehte es um und rief voller Freude:
    »Das Paket ist ja aus Florenz!«
    »Dann muss es von Jacquou sein!«, riet Florine.
    Ungeduldig öffnete Alix die Pergamentrolle, und weil sie alle erwartungsvoll ansahen, blieb ihr nichts anderes übrig als laut zu lesen.
    Die Webstühle stehen still, die Kälte schlägt gegen die Fenster, und alle Blicke sind auf Alix gerichtet, die nun in der behaglich warmen Werkstatt ihren gespannten Zuhörern vorliest:
    Mein Herz,
    Van Orley und ich sind in Florenz eingetroffen, in wenigen Tagen kommen wir nach Rom, wo ich Jean treffen werde. Hier kann ich mich gar nicht sattsehen, und mir kommen ständig neue Ideen. Wir haben die Werkstatt von verschiedenen Malern besucht, unter anderem einem Freund von Van Orley, der seine mitten in Florenz hat - Filippo Mecchi. Er hat mir die Zeichnungen der Florentiner Madonnen verkauft, deren Porträts sich wohl im Vatikan befinden. Jean wird mich darüber aufklären. Mach dir doch schon einmal Gedanken, wie wir sie für unsere Wandteppiche und Bespannungen verwenden könnten. Seit ich
in Italien bin, ist mir aufgefallen, dass die Weber hier ganz anders arbeiten als bei uns in Frankreich oder in Flandern. Die Italiener begeistern sich für breite Bordüren, und die Motive in der Mitte der Teppiche sind bei ihnen nicht so wichtig wie bei uns. Ehe ich die Stadt wieder verlasse, habe ich Florenz ausgiebig besichtigt und bin hingerissen, um nicht zu sagen wie verhext von all den Schönheiten, die ich hier entdeckt habe. Aber du fehlst mir sehr, mein Herz …
    Alix las nicht weiter, sondern sagte leise:
    »Der Rest ist nur für mich bestimmt, ich glaube kaum, dass euch das interessiert.«
    Eilig überflog sie die restlichen Zeilen und wollte sich bis zum Abend gedulden, um Jacquous zärtliche Worte richtig auf sich wirken zu lassen und seinen heißen Atem zu spüren. Schließlich faltete sie den Brief zusammen und verwahrte ihn in ihrem Mieder.
    Arnaude war hingerissen von den Florentiner Madonnen und studierte bereits das Leuchten in ihren Augen und ihre sinnliche Haltung.
    »Aus den Jungfrauen hier machen wir wahre Wunderwerke«, verkündete sie begeistert.
    »Wir nennen sie Die Jungfrauen des Vatikans . Die Motive gehören uns allein, und ich schwöre bei meiner Ehre als Webermeisterin, dass ich sie signieren werde!«, erklärte Alix und befühlte ihr Mieder, um sich zu vergewissern, dass der Brief von ihrem geliebten Jacquou nicht verloren
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher