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Die Segel von Tau-Ceti

Die Segel von Tau-Ceti

Titel: Die Segel von Tau-Ceti
Autoren: Michael McCollum
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nickte. »Mindestens fünfzehnhundert Herzanfälle, eine ähnliche Anzahl von Selbstmorden, unzählige Verkehrsunfälle, mehr als hunderttausend Brandstiftungen und weiß Gott noch welch andere Schäden. Warum zum Teufel hast du uns nicht gewarnt? Meinst du nicht, dass du uns das als Mitmensch geschuldet hättest?«
    Torys plötzliches Gelächter klang hysterisch — sogar in ihren Ohren.
    »Was ist denn so komisch?«
    »Wenn ich euch gewarnt hätte, Ben, hättet ihr das unterbunden.«
    »Verdammt richtig, wir hätten das verhindert.«
    »Dann hätten wir unseren Standpunkt aber nie klarzumachen vermocht. Ich konnte euch nicht warnen, Ben, weil die Sonnenfinsternis nämlich meine Idee war.«
    »Was?«
    »Wir müssten etwas tun. Die Leute hatten ihren Verstand ausgeschaltet. Der Rat war entschlossen, die Phelaner wegen der Täuschung abzustrafen, die Mitglieder übertrumpften sich gegenseitig mit kriegerischen Reden, und die Öffentlichkeit wollte Blut sehen. Ich wollte die Leute mit der Sonnenfinsternis so erschrecken, dass sie wieder zu Verstand kämen. Anscheinend war ich zu optimistisch.«
    »Das mit dem Erschrecken hat jedenfalls funktioniert. Du hast uns gezeigt, was für eine gefährliche Waffe ein Lichtsegel sein kann. Also verlangen die Leute jetzt von der Marine, die Far Horizons zu zerstören, bevor sie mit ihrem Lichtsegel unsere Meere verdampft.«
    Das Herz stockte ihr bei dieser Nachricht. »Das dürfen sie nicht!«
    Tallen schüttelte bedauernd den Kopf. »Im Moment führen kühlere Köpfe Regie. Der Erste Rat hat fürs Erste angeordnet, das Sternenschiff zu entern. Aber wer weiß, wie die Marine reagieren wird, wenn die Phelaner Widerstand leisten.«
    »Du musst sie aufhalten, Ben. Sag dem Ersten Rat, er solle den Befehl widerrufen.«
    »Wieso sollte ich das tun?«
    Tory unterdrückte einen erneuten Anflug von Panik. Sie öffnete den Mund zu einer Erwiderung und klappte ihn dann wieder so fest zu, dass die Zähne klackten. Eine eiskalte Ruhe ergriff von ihr Besitz, als der analytische Teil ihres Gehirns übernahm. Das Dilemma, in dem sie sich nun befand, war das gleiche, das sie seit diesem schrecklichen Tag im Kontrollraum der Far Horizons geplagt hatte. Die ganze Arbeit, die Lügen, die politischen Manöver waren umsonst gewesen. Die Frage, ob sie mit der Gefahr herausplatzen oder es für sich behalten sollte, stellte sich nach wie vor. So oder so, die Katastrophe schien unvermeidlich. Wenn die Sonnenfinsternis den Zorn der Menschen nur noch gesteigert hatte, was würde dann erst die Nachricht bewirken, dass die Phelaner die Sonne vernichten konnten? Vielleicht wäre ein Kompromiss noch möglich, wenn die Nachricht nur dem inneren Zirkel des Rats zugänglich gemacht und unter Verschluss gehalten wurde. Wenn aber der Mann und die Frau auf der Straße erfuhren, dass sie in Gefahr waren - was dann? Sobald die Nachricht publik wurde, wäre nur noch eins stärker als die Wucht der Forderung nach Zerstörung der Far Horizons - die Nova, die darauf folgen würde.
    Andererseits war sie mit der Sonnenfinsternis vielleicht doch auf dem richtigen Weg gewesen und hatte nur nicht konsequent genug gehandelt. Sicherlich würde die Nachricht über die drohende Zerstörung der Sonne die Menschen wieder zur Besinnung bringen. Waren die Phelaner wirklich so schlimm, dass die Menschheit lieber unterging, als sie aufzunehmen? Man musste eigentlich nur dafür sorgen, dass die überwiegende Mehrheit der Menschen glaubte, die Phelaner würden ihre Drohung wahr machen.
    Aber wenn sie es doch nicht glaubten? Das war die große Unbekannte in der Kalkulation. Und wenn sie mit der Drohung der Phelaner an die Öffentlichkeit ging und man ihr auch nicht glaubte? Was dann? Wenn sie die Wahrheit sagte, lief sie Gefahr, ihre derzeitige Zelle gegen eine in einer Nervenklinik einzutauschen.
    Torys Magen verkrampfte sich, und sie hatte einen ekligen Geschmack von Galle im Mund, als sie über die wohl wichtigste Entscheidung ihres Lebens nachdachte. Sie wurde sich bewusst, dass der Blick von Ben auf ihr ruhte, und fragte sich, wie viele Augenpaare sie noch beobachteten. Der Gedanke hatte die Wirkung von kaltem Stahl, der ihr in den Leib gerammt wurde. Das war der heilsame Schock, den sie gebraucht hatte. Wenn sie ihr Wissen schon offenbarte, wollte sie zumindest wissen, wem sie es sagte!
    Tory schob den Unterkiefer vor und schaute Ben direkt in die Augen. »Ich werde sprechen, aber nur mit Boerk Hoffenzoller und nur in Gegenwart der
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