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Die Schule der Robinsons

Die Schule der Robinsons

Titel: Die Schule der Robinsons
Autoren: Jules Verne
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hatte, entstand eine unwillkürliche Bewegung; die Witzeleien verstummten einen Augenblick, die Scherzworte wurden von Ausrufen der Bewunderung abgelöst und donnernde Hurrahs dröhnten durch den Saal.
    Dann folgte dem Höllenlärmen das tiefste Schweigen; Aller Augen erweiterten sich, Aller Ohren richteten sich in die Höhe. Wären wir selbst gegenwärtig gewesen, wir hätten natürlich den Athem angehalten, um nichts von der aufregenden Scene einzubüßen, welche doch entstehen mußte, wenn irgend ein anderer Liebhaber gewagt hätte, mit William W. Kolderup concurriren zu wollen.
    Doch war das zu erwarten oder überhaupt möglich?
    Nein! Man brauchte nur William W. Kolderup anzusehen, um zu der Ueberzeugung zu gelangen, daß er bei einer Gelegenheit, welche seine finanzielle Bedeutung berührte, niemals einem Anderen weichen würde.
    Er war ein großer, kräftiger Mann mit mächtigem Kopfe, breiten Schultern, wohlproportionirten Gliedern und mit solid verbundenem Knochengerüst von Eisen. Sein gutmüthiger, aber entschlossener Blick senkte sich nicht gerne zu Boden. Das in’s Graue spielende, noch jugendlich volle Haar bildete einen wahren Busch um seinen Schädel, die geraden Linien seiner Nase ein geometrisch gezeichnetes, rechtwinkeliges Dreieck. Einen Schnurrbart trug er nicht. Der nach amerikanischer Mode geschnittene Bart ließ die Mitte des Kinnes frei, schloß sich mit zwei Spitzen an die Lippenenden an und endigte mit »Pfeffer-und Salzfarbe« an den Schläfen. Dazu hatte er weiße, symmetrisch am Rande eines seinen, geschlossenen Mundes vertheilte Zähne, ein richtiger Commodorekopf, der sich beim Sturm erhebt und dem Ocean das Gesicht zukehrt. Kein Unwetter hätte ihn beugen können, so sicher war derselbe auf dem ihm als Stütze dienenden Halse eingelenkt. Bei einem solchen Kampfe bedeutet jede Bewegung dieses Kopfes von oben nach unten nicht weniger als hunderttausend Dollars.
    Aber hier war an keinen Kampf zu denken.
    »Zwölfhunderttausend Dollars! Zwölfhunderttausend Dollars! rief der Commissär mit dem eigenartigen Accente eines Agenten, der endlich einen Lohn für seine Bemühungen winken sieht.
    – Zu zwölfhunderttausend Dollars hat sich ein Käufer gemeldet! wiederholte der Ausrufer Gingraß.
    – O, man könnte getrost mehr bieten, murmelte der Schänkwirth Oeckhurst, William W. Kolderup würde doch nicht nachgeben.
    – Er weiß wohl, daß sich’s Niemand erdreisten wird!« antwortete der Krämer aus der Merchant Street.
    Vielfache »St!« geboten den beiden ehrenwerthen Genossen Stillschweigen. Man wollte jetzt hören. Alle Herzen klopften lauter. Würde eine Stimme sich zu erheben wagen, auf die William W. Kolderup’s zu antworten? Er – ein prächtiger Anblick – rührte sich nicht; er stand da, ebenso ruhig, als interessirte ihn die Sache gar nicht. Seine Nachbarn konnten jedoch beobachten, daß seine beiden Augen zwei mit Dollars geladenen Pistolen mit gespanntem Hahne glichen.
    »Niemand bietet mehr?« fragte Dean Felporg.
    Kein Laut.
    »Zum ersten!… Zum zweiten!…
    – Zum ersten!… Zum zweiten!… wiederholte Gingraß, der an diesen kleinen Dialog mit dem Auctionscommissär schon gewöhnt war.
    – So schlage ich zu!
    – Wir schlagen zu!
    – Für zwölfhunderttausend Dollars die Insel Spencer, wie sie geht und steht!
    – Für zwölfhunderttausend Dollars!
    – Haben Alle recht gehört – recht verstanden?
    – Wird es Niemand später gereuen?
    – Für zwölfhunderttausend Dollars die Insel Spencer!«…
    Die beklemmte Brust der Zuhörer arbeitete krampfhaft. Sollte in der letzten Secunde noch ein höheres Gebot erfolgen?
    Die rechte Hand über sein Pult ausgestreckt, bewegte der Commissär Felporg den elfenbeinernen Hammer… ein Schlag, ein einziger Schlag und die Zutheilung war vollendet.
    Gegenüber einer summarischen Ausübung des Lynchgesetzes hätte das Publicum kaum erregter aufpassen können.
    Der Hammer senkte sich langsam, berührte fast das Pult, erhob sich wieder, zitterte ein wenig auf und nieder, wie ein Degen, den der Kämpfer vorher schwingt, ehe er zustößt – dann senkte er sich schneller nach abwärts…
    Doch noch bevor der trockene Schlag erfolgte, erklangen von einer Stimme die vier Worte:
    »Dreizehnhunderttausend Dollars!«
    Zuerst ein allgemeines »Ah!« der Verwunderung, dann ein zweites, nicht weniger allgemeines »Ah« der Befriedigung. Es hatte sich noch ein Mehrbieter gefunden. Ein Wettkampf stand bevor.
    Wer war jedoch der Unverfrorene,
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