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Die schöne Philippine Welserin: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)

Die schöne Philippine Welserin: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)

Titel: Die schöne Philippine Welserin: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)
Autoren: Brigitte Riebe
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werden!
    Sie kannte diese Räume beileibe nicht nur als Besucherin oder Bittstellerin. Ihr Onkel hatte sie oftmals hierher eingeladen, um ihm beim Rechnen oder Kalkulieren zu helfen. Die neue Art der Buchführung beherrschte sie im Schlaf. Keiner seiner zahlreichen leiblichen Töchter hatte er dieses Privileg zuteilwerden lassen. Wäre sie ein Mann und kein Weib, säße womöglich sie auf dem abgewetzten Lederstuhl!
    »Wollen wir nicht lieber für einen Augenblick nach nebenan gehen?«, erwiderte sie so ruhig wie möglich. »Dort wären wir ungestört.«
    »Ich habe keinerlei Geheimnisse vor meinen Leuten«, sagte Christoph, und die Lüge kam geschmeidig über seine Lippen. »Jeder Gulden, der unsere Schatullen verlässt, wird bis zum letzten Heller in unseren Büchern verzeichnet. Wir ständen heute anders da, hätte Vater nicht diese unglückliche Vorliebe für schwarze Kassen und bodenlose Wagnisse gehabt, die uns fast an den Rand des Ruins getrieben haben. Sogar meine Brüder teilen inzwischen diese Ansicht.«
    »Onkel Bartholomé war und ist ein großer Mann mit eigenen Regeln«, erwiderte Philippine, noch immer mühsam gefasst. »Der so vieles für unsere Familie erreicht hat. Hätte er nicht klug und mutig das Unternehmen vorangetrieben, du würdest heute wohl kaum … «
    Sie biss sich auf die Zunge. Sie war hier, um Hilfe zu erbitten und legte sich schon nach den ersten Sätzen mit Christoph an!
    Aber so war es gewesen, seitdem sie denken konnte.
    Schon als kleines Mädchen hatte sie mit ihm gestritten oder lieber noch schleunigst das Weite gesucht, sobald der um zehn Jahre Ältere auf sie zustrebte. Dass die Pocken ihn in jungen Jahren gezeichnet hatten, hatte sie dabei noch am wenigsten gestört. Viel mehr waren es seine Grobheiten, die sie abstießen, die großen Worte, die er um alles machte. Christophs vorgebliche Neckereien waren in Wirklichkeit Püffe gewesen, die blaue Flecken auf ihrer Haut hinterließen; was er unter Kitzeln verstand, hatte sie stets als unangenehmes Zwicken empfunden. Doch während sie seine Nähe nach Möglichkeit mied, unternahm er vielfältige Anstrengungen, um ihre Gesellschaft zu suchen. Kaum war sie herangewachsen, hatte er sich offenbar unsterblich in sie verliebt. Mehr als einen missglückten Kussversuch seinerseits hatte es allerdings niemals zwischen ihnen gegeben. Anna Welser, der sie aufgelöst davon berichtet hatte, wusste dafür zu sorgen, dass Christoph seine junge Base nicht mehr zu Gesicht bekam, bis er endlich eine passendere Braut heimgeführt hatte.
    »Also?«, sagte er schnarrend. »Wie viel ist es dieses Mal, geschätzte Pippa?«
    Inzwischen starrten alle Buchhalter sie an.
    Philippine spürte, wie eine Welle von Scham und Zorn sie überflutete.
    Seine Augen lagen tief in einem aufgeschwemmten Gesicht. Wie graue Kiesel kamen sie ihr vor, kalt und ohne Leben. Wenn sie doch nur einen Zauber wüsste, um an das verdammte Geld zu kommen, ohne an seinem Schreibtisch vorbei zu müssen!
    »Raus damit!«, setzte er nach. »Wobei ich mich doch wundern muss, wie schlecht die gute Tante Anna zu wirtschaften vermag. Oder hat dein Besuch einen ganz konkreten Anlass? Nach Regine, die sich dank meiner Freigiebigkeit ins gemachte Nest gesetzt hat, nun endlich auch du? Das freilich wäre mir nach all den Jahren des Wartens ein ganz besonderes Vergnügen … «
    »Hör auf!«, unterbrach sie ihn.
    »Jetzt läuft sie doch tatsächlich rot an!«, sagte er spöttisch. »Bist du dazu nicht schon ein wenig zu reif, geschätzte Base? Und was das Heiraten betrifft: In deinem Alter noch den Jungfernkranz flechten zu wollen, muss alles andere als … «
    Ihr Körper handelte von selbst. Philippine sprang nach vorn, packte den Humpen und schüttete ihm das Bier über den Kopf. Langsam tropfte es von der Stirn über die narbigen Wangen bis in den Stiernacken.
    Es war verrückt, was sie getan hatte – und doch erfüllte es sie für einen Augenblick mit wilder Befriedigung. Christoph hatte bekommen, was er schon längst verdient hatte! Dann jedoch überfluteten sie Zorn und Beschämung über die eigene Unbeherrschtheit. Die Mutter würde die Lippen zusammenpressen, wenn sie von ihrem Ausbruch erfuhr, und längst überfällige Rechnungen müssten auch weiterhin unbezahlt bleiben.
    Philippine drehte sich auf dem Absatz um und floh aus dem Kontor, die breite Treppe hinauf, auf der sie als Mädchen gespielt hatte.
    Blindlings öffnete sie die nächstbeste Tür.
    Sie kannte diesen Raum, doch es
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