Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schatzinsel: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Die Schatzinsel: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Die Schatzinsel: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
Autoren: Robert Louis Stevenson
Vom Netzwerk:
Gründe anzunehmen, daß der Fremde sich irrte, selbst wenn seine Worte aufrichtig gemeint wären. Aber ich dachte, das ginge ja mich nichts an; außerdem war es schwierig zu entscheiden, was da zu tun sei.
    Der Fremde hielt sich fortwährend dicht bei der Haustür auf und guckte alle Augenblicke um die Ecke, wie eine Katze, die auf eine Maus lauert. Einmal ging ich selber auf die Straße hinaus, aber er rief mich sofort zurück, und als ich nicht schnell genug folgte, verzerrte sich sein käsiges Gesicht auf eine ganz fürchterliche Weise, und mit einem Fluch, der mir Angst machte, befahl er mir, sofort ins Haus zu gehen. Als ich aber wieder drinnen war, benahm er sich wie vorher: halb spöttisch, halb schmeichlerisch; klopfte mir auf die Schulter und sagte mir, ich sei ein guter Junge und er möchte mich riesig gerne leiden.
    »Ich habe selber einen Jungen,« sagte er, »der sieht dir so ähnlich wie ein Ei dem andern und ist so recht mein Stolz. Aber die Hauptsache für Jungens ist Gehorchen – Gehorsam, Jungchen! Na, wenn du mit Bill zusammen auf See gewesen wärest, dann hättest du nicht hier gestanden und dir was zweimal sagen lassen – glaub mir das! Das gab’s bei Bill nicht, und das gibt’s auch bei denen nicht, die mit ihm gefahren sind. Und sieh mal an, da kommt ja mein Maat Bill, mit einem Fernrohr unterm Arm, der gute alte Kerl! Da wollen wir beide man mal in die Schenkstube gehen, Jungchen, und uns hinter die Tür stellen, und wollen Bill ein bißchen überraschen – die gute alte Seele!«
    Mit diesen Worten ging der Fremde mit mir in die Schenkstube zurück und ließ mich hinter ihm in die Ecke treten, so daß wir beide hinter der geöffneten Türe verborgen waren. Ich fühlte mich sehr unbehaglich und unruhig, wie man sich wohl denken kann, und meine Angst wurde dadurch noch größer, daß der Fremde offenbar selber Furcht hatte. Er machte den Griff seines Stutzsäbels frei und lockerte die Klinge in der Scheide; und während der ganzen Zeit, daß wir da standen und warteten, schluckte er fortwährend, als ob er einen Kloß in der Kehle hätte, wie man zu sagen pflegt.
    Endlich trat der Kaptein ein, schlug die Tür hinter sich zu, ohne nach rechts oder nach links zu sehen und ging quer durch das Zimmer an den Tisch, auf dem das Frühstück für ihn bereit stand.
    »Bill!« sagte der Fremde mit einer Stimme, der ich deutlich anmerkte, daß er alle Kraft aufgeboten hatte, sie recht laut und kühn zu machen.
    Der Kaptein drehte sich auf dem Absatz herum und sah uns an; alle braune Farbe war aus seinem Antlitz gewichen, und sogar seine Nase war blau; er sah aus wie ein Mensch, der sein Gespenst erblickt, oder den Teufel, oder sogar noch etwas Schlimmeres, wenn es das gibt; und auf mein Wort: es tat mir leid, wie ich ihn plötzlich so alt und krank aussehend fand.
    »Nanu, Bill, du kennst mich doch; du kennst doch gewiß einen alten Schiffsmaat, Bill!« sagte der Fremde.
    Der Kaptein riß den Mund auf, wie wenn er nach Luft schnappen müßte und rief:
    »Der Schwarze Hund!«
    »Wer denn sonst?« antwortete der andere, der sich offenbar etwas behaglicher zu fühlen begann. »Der Schwarze Hund, immer noch der alte, ist nun hier, um seinen alten Schiffskumpan Bill im ›Admiral Benbow‹ zu besuchen. Oh, Bill, Bill! wir haben was durchgemacht, wir zwei, seitdem ich die beiden Greifer verlor!« Und dabei hält er die verstümmelte Hand in die Höhe.
    »Na, denn hör mal zu!« sagte der Kaptein: »Du hast mich gestellt; hier bin ich. Also denn man los: was willst du?«
    »Das sieht dir ähnlich, Bill!« antwortete der Schwarze Hund. »Bist immer noch der alte Billi. Ich will mir ein Glas Rum geben lassen von dem lieben Jungchen hier, der so nett ist; und dann wollen wir uns hinsetzen, wenn’s dir recht ist, und wollen ein vernünftiges Wort miteinander schnacken, als richtige alte Schiffskameraden.«
    Als ich mit dem Rum wieder hereinkam, saßen sie schon an des Kapteins Frühstückstisch einander gegenüber – der Schwarze Hund nach der Tür zu und etwas seitlings auf seinem Stuhl, so daß er, wie mir vorkam, das eine Auge auf seinem alten Schiffskumpan und das andere auf seiner Rückzugslinie hatte.
    Er befahl mir hinauszugehen und die Tür weit offen zu lassen.
    »Durchs Schlüsselloch gucken gibt’s bei mir nicht, Jungchen!« sagte er.
    Ich ließ die beiden miteinander sitzen und zog mich in den Zapfraum zurück.
    Obgleich ich mir natürlich alle Mühe gab, etwas zu hören, konnte ich lange
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher